„Die Politik muss der fortschreitenden Kommerzialisierung Einhalt gebieten“
Berlin – Am 24. September ist Bundestagswahl. Das Deutsche Ärzteblatt hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Parteien, Länderminister, Verbände und Ärzte aus der Patientenversorgung befragt, wie es mit der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislatur weitergehen sollte.

Fünf Fragen an Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes
DÄ: Welches gesundheitspolitische Thema muss in der nächsten Legislaturperiode als erstes angegangen werden? Warum?
Andreas Botzlar: Wir brauchen in den Krankenhäusern mehr Ärzte und Pflegekräfte, um die Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Dafür müssen den Krankenhäusern ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Tarifergebnisse sind als wirtschaftliche Kosten vollständig zu refinanzieren. Zukünftig müssen die Krankenhäuser mit einer modernen und gut gesicherten IT-Infrastruktur ausgestattet sein. Wir werden uns bei der nächsten Bundesregierung dafür einsetzen, dass ein Programm zum Ausbau der Digitalisierung in den Kliniken zügig auf den Weg gebracht wird. Ganz oben auf der Agenda muss auch die Reform der Notfallversorgung stehen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.
DÄ: Welche Partei beziehungsweise welches Parteienbündnis bietet aus Ihrer Sicht die besten Lösungen für die zukünftigen Probleme des Gesundheitssystems? Warum?
Botzlar: Wir geben grundsätzlich keine Wahlempfehlung ab.
DÄ: Welche aktuellen Positionen der Parteien gefährden die Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem?
Botzlar: Klare Antworten kann es nur auf konkrete Fragen geben. Generalisierungen werden dem Thema nicht gerecht.
DÄ: Wie müssten die Rahmenbedingungen ärztlicher/psychotherapeutischer Tätigkeit verbessert werden?
Botzlar: Die Politik muss der fortschreitenden Kommerzialisierung Einhalt gebieten. Der von ihr angefachte Preiswettbewerb führt dazu, dass Krankenhäuser sprichwörtlich am falschen Ende sparen – nämlich am Personal. Viel Zeit wird den Ärztinnen und Ärzte durch einen völlig unsinnigen Bürokratismus geraubt, der die Krankenhäuser und die Beschäftigten immer stärker in den Würgegriff nimmt. Wir fordern von der nächsten Bundesregierung, dass sie die Entbürokratisierung im Gesundheitswesen zur Top-Priorität erklärt und Ärzten wie Pflegekräften endlich wieder Luft zum Atmen gibt.
DÄ: Was wollen Sie für Ihre Mitglieder in der kommenden Legislaturperiode erreichen?
Botzlar: Wir werden als Gewerkschaft sehr genau darauf achten, dass bestehende Regelungen zum Schutz der Gesundheit unserer Mitglieder nicht unterlaufen werden. Seit Monaten schon stellen die Arbeitgeberverbände unter dem Schlagwort „Flexibilisierung“ wesentliche Eckpunkte des Arbeitszeitrechts wie etwa Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten offen infrage. Diesen Forderungen nach Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes darf die Politik keinen Raum geben.
Wir werden versuchen, die Politik davon zu überzeugen, das Tarifeinheitsgesetz endgültig zu den Akten zu legen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine wesentliche Regelung des Gesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, Abhilfe zu schaffen. Die Politik sollte endlich begreifen: Mit dem Tarifeinheitsgesetz ist kein Blumentopf zu gewinnen. Dann ist es besser, das ganze Vorhaben zu begraben und über die Vorgeschichte den Mantel des Schweigens zu legen.
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