„Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Pflegeexperten wird die ambulante Primärversorgung stabilisieren“
Bad Neuenahr-Ahrweiler – Die Zahl der Hausärzte in ländlichen Regionen nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Um ältere, chronisch kranke Patienten trotzdem gut versorgen zu können, wurde in der Region Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Projekt gestartet, bei dem akademisch geschulte Pflegeexperten die Hausärzte bei der Versorgung der Patienten unterstützen, zum Beispiel bei Hausbesuchen.
An dem Projekt „HandinHand“, das durch den Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) finanziell unterstützt wird, sollen in den nächsten Jahren circa 1.500 Patienten im Alter von über 60 Jahren versorgt werden. Umgesetzt wird das Projekt von der Marienhaus Unternehmensgruppe, einem christlichen Träger von sozialen Einrichtungen, zu dem unter anderem 14 Krankenhäuser und 20 Alten- und Pflegeheime gehören.
Leiter des Projekts ist der Allgemeinarzt Gunther Lauven, der als Professor am RheinAhrCampus Remagen der Hochschule Koblenz tätig ist. Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erklärt er, wie die Zusammenarbeit zwischen den Hausärzten und den Pflegeexperten funktionieren soll und wieso das Projekt bundesweiten Vorbildcharakter haben könnte.

Fünf Fragen an Gunther Lauven, Hochschule Koblenz
DÄ: Wie kam es zu der Idee, das Projekt „HandinHand“ durchzuführen?
Gunther Lauven: Die Marienhaus Unternehmensgruppe hat eine lange Tradition, die aus der Pflege kommt, und der Innovationsfonds bot uns die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. Von daher lag es nahe, die demografiebedingten Herausforderungen bei der Sicherstellung aufsuchender hausärztlicher Primärversorgung mit pflegerischem Know-how und Engagement zu verknüpfen.
Wir stützen uns dabei auf sehr positive internationale Erfahrungen mit Advanced Nursing Practice. So etwas gibt es bisher bei uns in Deutschland kaum, erst recht nicht in der Regelversorgung.
DÄ: Wie ist derzeit der Sachstand?
Lauven: Nach sehr umfassenden Vorbereitungen mit vielen Partnern konnten wir im März 2020 in die Patientenversorgung einsteigen und bis Ende Mai mehr als 70 Patienten – bei bisher 13 teilnehmenden Ärzten – für uns gewinnen.
Die Coronakrise hat den Start erschwert, aber nicht unmöglich gemacht. Teilweise erleben wir, dass „HandinHand“ gerade in dieser Krise seine Stärken zeigen kann: Alte, multimorbide und immobile Patienten fallen in unserem System schneller durchs Raster, da springen wir bei. Geplant ist, die Neurekrutierung von Patienten im September 2021 zu beenden. Das Projekt soll bis zum März 2022 laufen.
DÄ: Wie genau soll die Zusammenarbeit zwischen den an dem Projekt teilnehmenden Hausärzten und Pflegeexperten ablaufen?
Lauven: Die Hausärzte screenen ihren Patientenstamm auf geeignete Patienten, sprechen diese an, klären auf und holen das Einverständnis ein. Nach der Zuweisung an uns führen die Pflegeexperten Erstbesuche durch und erstellen einen Arbeitsplan.
Nach dessen ärztlicher Freigabe werden bei allen Folgebesuchen Statusberichte erstellt und an den Arzt übermittelt. Bedarfsweise erfolgen Telefonaustausche oder auch gemeinsame Patientenbesuche. Ziel ist es, den Gesundheitszustand der Klienten langfristig stabil zu halten.
DÄ: Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von dem Projekt?
Lauven: Der wissenschaftliche Endpunkt von „HandinHand“ ist eine Reduktion der Krankenhauseinweisungsquote in der Interventionsgruppe gegenüber einer Kontrollgruppe.
Die Kontrolldaten stammen von der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland. Darüber hinaus wollen wir auch wissen, wie gut diese Versorgungsform von Patienten, Angehörigen und Ärzten angenommen wird und wie zufrieden diese mit „HandinHand“ sind. Die ersten Erfahrungen sind zumindest sehr positiv. Gesundheitsökonomische Analysen runden das wissenschaftliche Programm ab.
DÄ: Glauben Sie, dass das Projekt „HandinHand“ als Vorbild für andere Regionen in Deutschland werden kann?
Lauven: Ja. Wir glauben, dass die Zusammenarbeit zwischen speziell ausgebildeten Pflegeexperten und Hausärzten ein neuer, allseits gewinnbringender und stabilisierender Pfeiler in der ambulanten Primärversorgung sein kann und auch sein wird. Deshalb streben wir nach positivem Projektausgang eine Überführung in die Regelversorgung an.
Die Marienhaus Unternehmensgruppe kann sich Pflegeexpertencenter in ihrem Versorgungsgebiet Rheinland-Pfalz und Saarland sicherlich an vielen Standorten vorstellen. Bundesweit ist es ebenfalls und ganz gewiss eine attraktive Option.
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