5 Fragen an...

„Es darf nicht mehr möglich sein, dass ein solches Verbot ausgesprochen wird“

  • Dienstag, 5. August 2025

Berlin/Lippstadt – Nach einer Klinikfusion hat ein katholischer Träger dem Gynäkologen Joachim Volz das Durchführen von Schwangerschaftsabbrüchen verboten, ausgenommen Fälle von akuter Lebensgefahr für Mutter oder Kind. Das betrifft den ambulanten ebenso wie stationären Bereich und darüber hinaus eine Praxis, die Volz in Bielefeld betreibt.

Dagegen klagt der 67 Jahre alte langjährige Chefarzt. An diesem Freitag (8. August) wird dazu eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamm (in den Räumen des Amtsgerichts Lippstadt) in Nordrhein-Westfalen erwartet, wie die Gerichtsdirektorin auf Anfrage mitteilte.

Nach Gerichtsangaben ist in der Dienstanweisung des katholischen Trägers eine Ausnahme dann vorgesehen,„wenn Leib und Leben der Mutter bzw. des ungeborenen Kindes akut bedroht sind und es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, mit der das Leben des ungeborenen Kindes gerettet werden könnte“.

In einer Stellungnahme verweist das Klinikum Lippstadt darauf, dass Volz im Fall einer Entscheidung für einen Abbruch „auf ein bewährtes Netzwerk“ zurückgreifen könne und der Eingriff in einer spezialisierten Klinik erfolge.

In der Stadt hatten sich das Evangelische Krankenhaus (EVK), an dem Volz beschäftigt war, und das Dreifaltigkeits-Hospital (DFH) mit dem Marien-Hospital Erwitte zum „Klinikum Lippstadt – Christliches Krankenhaus“ zusammengeschlossen. Die Fusionsverträge wurde Ende 2024 unterzeichnet. Nach eigenen Angaben ist es mit 700 Betten und 2.500 Beschäftigten der „zentrale Gesundheitsversorger für Lippstadt und die gesamte Region“.

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) stellte sich hinter Volz und erklärte: „Es ist unethisch und nicht akzeptabel, erst dann zu handeln, wenn das Leben der Mutter akut gefährdet ist.“ ÄKWL-Präsident Hans-Albert Gehle sprach von einer bedenklichen Entwicklung. Er befürchtet, dass Klinikfusionen auch in anderen Regionen ähnliche Auswirkungen haben könnten. Das Deutsche Ärzteblatt hat vor dem Gerichtstermin mit dem Kläger gesprochen.

Joachim Volz, Gynäkologe aus Lippstadt
Joachim VolzJ. Volz

5 Fragen an Joachim Volz, Facharzt für Gynäkologie und Direktor des Zentrums für Frauenheilkunde am Klinikum Lippstadt

Herr Volz, wie es ist soweit gekommen, dass Sie Klage gegen Ihren Arbeitgeber eingereicht haben?
Ich bin seit 13 Jahren Chefarzt im evangelischen Krankenhaus Lippstadt, zuvor war ich über zehn Jahre Chefarzt am Klinikum Bielefeld, einem kommunalen Krankenhaus. In beiden Häusern war die Pränataldiagnostik ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit.

Über viele Jahre war es gelebte Praxis, dass wir Frauen, die sich nach einem auffälligen pränataldiagnostischen Befund eine Fortsetzung der Schwangerschaft nicht mehr vorstellen konnten, konsequent begleiteten – unabhängig davon, wie ihre Entscheidung ausfiel. Also auch dann, wenn sie sich für einen Abbruch entschieden.

Inzwischen ist die katholische Kirche zu 50 Prozent an unserem Krankenhaus beteiligt – hat aber zu 100 Prozent ihre Moral durchgesetzt. Das bedeutet konkret: Schwangerschaftsabbrüche sind auch bei medizinischer Indikation nicht mehr erlaubt. Diese neue Dienstanweisung gilt seit dem 1. Februar 2025 – und ich halte sie für rechtswidrig.

Auch mit Blick auf die politische Gesamtlage halte ich es für wichtig, das Thema nicht den Parolen von Rechten und Rechtsextremen zu überlassen. Als CDU-Mitglied möchte ich auch meine Partei dazu bewegen, sich in meinem Fall eindeutig zu positionieren. Mit meiner Klage stehe ich zudem für mein gesamtes Team ein – auch dort stößt die Entwicklung auf deutliche Ablehnung.

Es gab bereits eine Güteverhandlung, bei der keine Einigung erzielt wurde. Wie ist diese verlaufen?
Das Gericht hat damals die Sichtweise der Kirche bestätigt – etwas, das ich mir zuvor nicht hätte vorstellen können. Ich ging davon aus, dass sich ein Kompromiss finden ließe. Doch bei diesem Termin war die Ablehnung mir gegenüber massiv.

Eine Kompromisslösung wurde von Seiten des Trägers ausgeschlossen. Ich wurde im Rahmen der kirchlichen Argumentation sinngemäß als „Mörder“ bezeichnet. Die beklagte Seite wollte mir als Arzt zudem erklären, was unter einer medizinischen Indikation zu verstehen sei.

Das war eine äußerst belastende und entwürdigende Situation – gerade angesichts der Tatsache, dass ich diese Frauenklinik über viele Jahre mit Herzblut aufgebaut habe. Inzwischen sind wir ein Level-I-Perinatalzentrum mit fast 2.000 Geburten pro Jahr.

Mit der Güteverhandlung wurde der Fall zunehmend öffentlich. Zunächst berichteten regionale Medien, dann auch überregionale. Interessenverbände, ebenso wie Juristinnen und Juristen, haben sich an meine Seite gestellt. Die Resonanz war überwältigend: Inzwischen haben mehr als 225.000 Menschen meine Petition unterzeichnet. Viele meiner ehemaligen Patientinnen sind empört, dass so etwas überhaupt möglich ist. Ich erfahre eine enorme Solidarität.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche haben Sie vor der Auseinandersetzung pro Jahr durchgeführt?
Wir haben jährlich etwa 20 bis 30 Schwangerschaftsabbrüche mit medizinischer Indikation durchgeführt – bei deutschlandweit rund 4.000 Fällen mit dieser Indikation pro Jahr. Tatsächlich fahren aber viele Frauen jedes Jahr in die Niederlande, weil das Angebot hier nicht ausreicht.

Ich bestreite keineswegs, dass es sich beim Schwangerschaftsabbruch um eine ethisch herausfordernde Frage handelt. Lebensschutz ist ohne Frage ein wichtiges Gut. Doch im Moment habe ich den Eindruck, dass das Pendel in die falsche Richtung ausschlägt – und der Lebensschutz zunehmend auf Kosten der Frau verstanden wird.

Nach meiner Auffassung sollte ein Schwangerschaftsbeendigung in jeder Phase möglich sein, wenn die Mutter sich nach eigener Einschätzung in einer seelischen Notlage befindet – sei es wegen einer Erkrankung des Kindes, einer Vergewaltigung oder aufgrund der Schwangerschaft selbst.

Sie befürchten, die Krankenhausreform könnte weitere Fälle wie Ihren hervorrufen. Wieso?
Weil es zu weiteren Fusionen kommen wird. Und tatsächlich erleben Kolleginnen und Kollegen bereits jetzt ähnliche Konsequenzen wie ich, wenn ein katholischer Träger eine Einrichtung übernimmt. Mir sind Beispiele aus Flensburg und Bayern bekannt. Aktuell ist bei mir in der Nähe der Kreis Soest betroffen, wo ein kommunales Krankenhaus mit einer katholischen Einrichtung fusioniert.

Das Problem ist: In ganzen Regionen entstehen weiße Flecken in der medizinischen Versorgung – dort werden keine Schwangerschaftsabbrüche mit medizinischer Indikation mehr durchgeführt. Wir möchten die Frauen in solchen Situationen aber nicht alleinlassen.

Welche Folgen erhoffen Sie sich von Ihrer Klage?
Es darf in Deutschland nicht mehr möglich sein, dass ein solches Verbot ausgesprochen wird. Niemand sollte Ärztinnen und Ärzten aus moralischen Gründen vorschreiben, welche Therapien sie anbieten dürfen. Das ist mit dem ärztlichen Beruf in einem freiheitlichen Rechtsstaat unvereinbar.

Wir beraten Patientinnen, wir betreuen sie – aber wir sagen ihnen nicht, was moralisch richtig oder falsch ist. Diese Haltung sollte in die Rechtsprechung einfließen. Wenn das in Lippstadt nicht gelingt, dann eben in den höheren Instanzen – notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof.

Langfristig muss sich unser Staat auch fragen, ob der Schwangerschaftsabbruch überhaupt ins Strafrecht gehört.

ggr

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