5 Fragen an...

„Es ist davon auszugehen, dass sehr viele Ärztinnen und Ärzte ihre Gehaltsabrechnung gar nicht prüfen"

  • Freitag, 15. August 2025

Hamburg – Kryptische Bezeichnungen, verschiedene Faktoren, wie Bereitschaftsdienste vergütet werden, unterschiedliche Zuschläge für Nacht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit: Die Lohnabrechnung zu verstehen, ist für viele Ärztinnen und Ärzte nicht einfach. Der genaue Blick darauf könnte sich aber lohnen, wie die Rechtsanwältin Claudia Friedrichs vom Marburger Bund Hamburg erläutert.

Claudia Friedrichs /Matthias Endlich, endlichbilder
Claudia Friedrichs /Matthias Endlich, endlichbilder

5 Fragen an Claudia Friedrichs, Rechtsanwältin beim Marburger Bund Hamburg

Wie viele Ärztinnen und Ärzte verstehen ihre Lohnabrechnung überhaupt oder schauen sie sich wirklich an?
Aus unserer Erfahrung kann man leider sagen: „zu wenige“. Die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte ist nicht nur herausfordernd und anspruchsvoll, sondern auch anstrengend. Da ist es nachvollziehbar, dass sie, wenn Feierabend ist, sich nicht auch noch mit Abrechnungen beschäftigen wollen.

Viele unserer Mitglieder berichten, dass sie versucht haben, die Abrechnungen zu verstehen, aber mit den oftmals vielen Nachberechnungen – manchmal auch Nachberechnungen der Nachberechnungen – nicht zurechtkommen und den Überblick verlieren. Nach einem 12-Stunden Arbeitstag kommt dann verständlicherweise Frustration auf.

Was sind die Schwierigkeiten bei den ärztlichen Abrechnungen?
Insbesondere Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern erhalten regelmäßig Nachberechnungen für ihre Arbeit, und zwar für das Leisten von Überstunden, Samstags- und Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften.

Diese sogenannten unständigen Bezüge werden immer mit zeitlichem Versatz von in der Regel ein bis zwei Monaten abgerechnet, je nach (tarif-)vertraglicher Vereinbarung. Wenn man dann nicht die Ruhe hat, sich mit seinen Abrechnungen, Nachberechnungen und Stundenzetteln hinzusetzen und alles nachzuvollziehen, kann man maximal die ungefähre Plausibilität der Abrechnung überprüfen.

Manchmal sind es aber auch nur die „kleinen Dinge“: Dass zum Beispiel ein Stufenaufstieg – also die Einstufung in eine höhere Entgeltstufe aufgrund der ärztlichen Berufserfahrung – vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt wird und deswegen zu wenig Tabellenentgelt überwiesen wird.

Wenn dann aber Abrechnungen und die Berechnung von Entgeltersatzleistungen während der Schwangerschaft aufeinandertreffen, wird es maximal unübersichtlich und kann Ärztinnen im schlimmsten Fall viel Geld kosten. Dies kann sich dann unter Umständen auch auf die Höhe des Elterngelds und letztlich auch - auch wenn dies gering erscheinen mag – auf die Höhe der zukünftigen Rente auswirken.

Gibt es Schätzungen dazu, wie häufig die Lohnabrechnung von Ärztinnen und Ärzten fehlerhaft ist?
Es wenden sich viele Mitglieder wegen ihrer Gehaltsabrechnungen an uns – entweder, weil sie sie nicht verstehen, oder weil sie schon selbst Fehler entdeckt haben. Leider gehen diese Fehler zum ganz überwiegenden Anteil zulasten der Ärztinnen und Ärzte.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass sehr viele Ärztinnen und Ärzte ihre Gehaltsabrechnung gar nicht prüfen und sich deshalb auch nicht wegen Unklarheiten beraten lassen oder diese beim Arbeitgeber beanstanden.

Welche Tipps würden Sie Ärztinnen und Ärzten geben, die ihre Gehaltsabrechnung besser verstehen wollen? Eigentlich sind auch Arbeitgeber angehalten, nachvollziehbare Gehaltsabrechnungen zu erstellen und diese den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erläutern.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass auch viele Personalsachbearbeiter und -sachbearbeiterinnen die Abrechnungen nicht verstehen und nur deshalb „sicher“ sind, dass sie korrekt sind, weil das „Programm“ das so errechnet hat.

Dort findet man daher selten Unterstützung. Hinzu kommt, dass viele Krankenhauskonzerne ihre Abrechnungsabteilungen ausgelagert haben und man an die dortigen Ansprechpersonen gar nicht mehr herankommt.

Klar ist: Abrechnung ist nicht einfach gleich Abrechnung. Es gibt erhebliche Unterschiede. Wir haben deshalb die Seminarreihe „Gehaltsabrechnung verstehen“ ins Leben gerufen. Um die Abrechnung inhaltlich zu prüfen, muss man verstehen, was dort aufgeführt wird. Dies ist zum einen ein Betrag in Euro, also zum Beispiel der individuelle Stundensatz in Euro oder die Höhe eines 15 %igen Überstundenzuschlags in Euro, und zum anderen die Anzahl der abgerechneten Positionen, also zum Beispiel die Anzahl der Überstunden oder die Anzahl der Stunden Sonntagsarbeit.

Dazu muss man sich nicht nur seine Abrechnung ansehen, sondern auch die Stundennachweise, die beim Arbeitgeber angefordert werden können. Im besten Fall dokumentiert man selbst auch seine geleisteten Stunden, um etwaige „Übertragungsfehler“ des Arbeitgebers zu finden und korrigieren zu lassen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die unständigen Bezüge erst einige Zeit später fällig werden und daher mit einem zeitlichen Versatz von einem oder zwei Monaten abgerechnet werden.

Gerade für Berufseinsteiger ist es oft schwer nachzuvollziehen, wie sich die Beträge für den Ausgleich der Sonderformen der Arbeit in Form von Überstunden, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, etc. berechnen, da es unterschiedliche Bemessungsgrundlagen dafür gibt und eben nicht alles auf dem individuellen Stundenlohn basiert

Manchmal erkennt der Arbeitgeber auch Überstunden nicht an, die dann einfach nicht vergütet werden. Wer da nicht aufpasst und gegebenenfalls interveniert, schenkt dem Arbeitgeber im schlimmsten Fall seine Zeit. Aber Überstunden sind ein ganz eigenes Thema.

Was sollten Ärztinnen und Ärzte tun, wenn sie Fehler entdecken?
Wichtig ist, regelmäßig die Abrechnungen zu prüfen, da in den meisten Arbeitsverträgen und Tarifverträgen sogenannten Ausschlussfristen vereinbart sind. Das bedeutet, dass man innerhalb dieser Frist Ansprüche geltend machen muss, damit sie nicht verfallen. Auch die Formalitäten, wie man Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, sind wichtig. Meine Empfehlung: Bedienen Sie sich sachkundiger Unterstützung.

mim

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