5 Fragen an...

„Es ist zu spüren, dass von amerikanischer Seite bereits stärker priorisiert wird“

  • Mittwoch, 30. April 2025

Berlin – Bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit zeigte sich, dass US-Präsident Donald Trump wenig Wert auf Bildung und Wissenschaft legt. Vielerorts kam es zu Stellenstreichungen und zu Budgetkürzungen für die US-Forschung.

Darüber, welche Auswirkungen diese Kehrtwende in der amerikanischen Wissenschaftspolitik auch auf Forschende in Deutschland und ihre oft international angelegten Forschungsprojekte hat, sprach das Deutsche Ärzteblatt mit Livius Penter, Internist und Clinician Scientist im Bereich der experimentellen Hämatologie und Immunologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Er war von 2019 bis 2023 Postdoc am Dana-Farber Cancer Institute in Boston. Jetzt leitet der 37-Jährige in Berlin ein Forschungslabor, das sich mit der Frage befasst, wie T-Zellen therapeutisch genutzt werden können, um langfristig Leukämiekontrolle zu erlangen und Krankheitsrückfälle zu vermeiden.

Livius Penter /Justin Knight Photography
Livius Penter /Justin Knight Photography

5 Fragen an Livius Penter, Internist und Clinician Scientist im Bereich der experimentellen Hämatologie und Immunologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Das Wissenschaftssystem in den USA ist durch Entlassungen und Budgetkürzungen stark unter Druck. Spüren Sie das als Arzt und Forscher auch hier in Deutschland?
Die National Institutes of Health (NIH) sind wesentliche Geldgeber für viele amerikanische Forschungsgruppen, sodass Kürzungen unmittelbar dazu führen, dass Projekte nicht mehr wie geplant durchgeführt werden können oder ganz beendet werden müssen. Dies hat direkten Einfluss auf meine eigene Arbeit, die Kooperationen mit Partnern aus den USA umfasst.

Es ist zu spüren, dass von amerikanischer Seite bereits stärker priorisiert wird, welche Arbeiten als relevant angesehen werden und welche aus Kostengründen nicht mehr ohne weiteres verfolgt werden. Bisher war meiner Erfahrung nach die wesentliche Limitation des akademischen Forschungsbetriebs in den USA oft nicht das Geld für Verbrauchsmaterialien, sondern die Anzahl an qualifizierten Forschern und deren Arbeitszeit. Dies scheint sich aktuell zu verschieben, sodass nun eher die verfügbaren Budgets zur Limitation werden.

Halten Sie die biomedizinische Forschung für gefährdet?
Neben diesen projektbezogenen Einschränkungen sehe ich essenzielle Forschungsinfrastrukturen in Gefahr, die durch die NIH in den letzten Jahrzehnten aufgebaut und finanziert wurden. Dies umfasst das Pubmed, eine zentrale Grundlage für jede Literaturrecherche. Hier werden alle weltweit publizierten wissenschaftlichen Artikel aus der biomedizinischen Forschung indexiert.

Genauso sind viele wichtige Datenbanken des National Center for Biotechnology Information (NCBI) in Gefahr, in denen große Archive von Gensequenzen und Sequenzierdaten hinterlegt sind, die täglich von tausenden Forschern weltweit abgerufen werden und die Basis für ihre Projekte bilden. Sollten diese öffentlich frei verfügbaren Ressourcen zurück gebaut oder in entgeltliche Dienste umgewandelt werden, würde dies einen sehr schweren Schlag für die globale biomedizinische Forschung bedeuten.

Was bedeutet das aus Ihrer Sicht speziell für Deutschland und Europa? Wie sollte auf diese Veränderungen reagiert werden?
Sollten öffentliche Ressourcen wie Pubmed oder die Datenbanken des NCBI nicht mehr verfügbar sein, können europäische Strukturen nun stärkere Bedeutung erlangen. Die verschlechterte Situation der Forschung in den USA kann daher zu einer Aufwertung unserer eigenen Strukturen führen.

Sie können also der aktuellen Situation auch etwas Gutes abgewinnen?
Grundsätzlich und zuallererst sind die Veränderungen in den USA natürlich ein sehr bedauerlicher Rückschlag für die medizinische Forschung weltweit und auch für Europa und Deutschland. Allerdings könnten wir als europäische Forschende jetzt die Möglichkeit haben, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Rückstände aufzuholen, die durch ein Ungleichgewicht an finanziellen Mitteln und eine geringere Attraktivität bei der Rekrutierung von Talenten entstanden sind. Daher sehe ich die Situation durchaus auch als Chance für uns, die es nun zu nutzen gilt.

Wie gestalten Sie derzeit und künftig Ihre Forschungskooperationen?
Trotz dieser Entwicklungen werde ich weiterhin mit amerikanischen Partnern zusammenarbeiten und auf Konferenzen in die USA fliegen. Aufgrund der enormen Breite und Tiefe der amerikanischen Forschungslandschaft und ihrer wohlhabenden akademischen Institutionen ist auch bei einem vollständigen Stopp aller öffentlichen Gelder durch das Weiße Haus zu erwarten, dass diese weltweit tonangebend bleiben. 

ER

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