5 Fragen an...

„Es tut mir unendlich leid, dass wir es in dieser Wahlperiode wieder nicht geschafft haben, eine Notfallreform zustande zu bringen“

  • Mittwoch, 19. März 2025

Berlin – Der neue Bundestag konstituiert sich am 25. März. An diesem neuen Parlament werden 333 Abgeordnete der vorherigen Legislatur nicht mehr teilnehmen, darunter auch einige Gesundheitspolitikerinnen und -politiker.

Das Deutsche Ärzteblatt sprach mit vier scheidenden Abgeordneten über ihre jeweilige gesundheitspolitische Bilanz der vergangenen Jahre, was sie für ihre Arbeit im Bundestag schon gerne früher gewusst hätten und was nun nach der Zeit in Berlin für sie persönlich folgt.

Der FDP-Politiker Andrew Ullmann legt sein Amt als Abgeordneter Ende März aufgrund des Ausscheidens der FDP aus dem Bundestag nieder. Der Arzt und Infektiologe saß seit 2017 im Bundestag und war in der vergangenen Legislaturperiode gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Für ihn war die Coronapandemie gleichzeitig ein politischer Höhe- und Tiefpunkt in den vergangenen Jahren.

Er plädiert für eine dringende Aufarbeitung dieser Zeit. Rückblickend hätte er sich zudem mehr Beteiligung der Ampelkoalition bei der Bearbeitung und Prioritätensetzung von gesundheitspolitischen Vorhaben gewünscht. Ullmann findet, dass Ministerinnen und Minister hierfür zu viel Macht haben. Etwa beim Thema Entbürokratisierung habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) prokrastiniert, erklärte Ullmann im Gespräch.

Andrew Ullmann/ Stefan Trocha Photography
Andrew Ullmann/ Stefan Trocha Photography

5 Fragen an Andrew Ullmann (FDP)

Wie ist es für Sie, nach zwei Legislaturen den Bundestag wieder zu verlassen?
Es tut natürlich ein wenig weh. Ich habe das mit Herzblut gemacht. Am Anfang war es ein Abenteuer, eine Herausforderung und auch eine Ehre, Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein. Ich wusste aber von der ersten Minute an, dass ein Mandat immer auf Zeit ist. Das waren sehr wichtige fast acht Jahre meines Lebens, die ich erleben durfte, dafür bin ich dankbar.

Was war für Sie der jeweils gesundheitspolitische Höhe- und Tiefpunkt in all der Zeit? Was hätte man eher angehen müssen?
Politischer Höhepunkt war in der Zeit die Coronakrise. Als Infektiologe hätte ich nie gedacht, dass ich zu meinen Lebzeiten eine Pandemie mit einem Coronavirus erleben werde. Ich war immer von einer Influenzapandemie ausgegangen. Die politischen Herausforderungen der Bewältigung einer solchen Pandemie waren riesig und ganz anders, als wenn es nur von der medizinischen Seite betrachtet wird. Hinzu kam die traurige Gewissheit, dass wir nicht auf eine Pandemie vorbereitet waren. Ich würde behaupten, dass wir auch für eine künftige Pandemie nicht besser vorbereitet sind. Gleichzeitig war die Pandemie auch ein Tiefpunkt des politischen Handelns und bedarf noch der politischen Aufarbeitung.

Der zweite Höhepunkt ist der Startschuss für eine Krankenhausstrukturreform, die dringend notwendig ist. Auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die wir vorangetrieben haben oder das Medizinforschungsgesetz, mit dem wir klinische Forschung in Deutschland beschleunigen, waren Höhepunkte.

Ein Tiefpunkt hingegen war ein Erbe der vorherigen Regierung: Wir mussten gleich am Anfang der letzten Legislaturperiode Sparpakete für die Ärzteschaft und Pharmaindustrie umsetzen, insbesondere die Abschaffung der Neupatientenregelung. Das hat mir nicht geschmeckt.

Zurückblickend hätten wir in der neben dem Koalitionsvertrag zu Beginn gemeinsame Prioritäten festlegen müssen und diese nicht dem freien Willen eines Ministers überlassen dürfen. Das ist kein Vorwurf an Minister Lauterbach, das war bei allen Ministerien so. Wir hätten aber konsequenter Strukturreformen angehen und kommunikativ besser sein müssen. Es tut mir unendlich leid, dass wir es in dieser Wahlperiode wieder nicht geschafft haben, eine Notfallreform zustande zu bringen. Damit ist sie nun unter zwei Ministern nicht gekommen. Und auch bei der Bürokratie: Minister Lauterbach hat immer wieder versprochen, er lege bald etwas vor. Für mich sah das aus wie Prokrastination von Seiten des Ministers. Uns wurde immer wieder versprochen, man arbeite Tag und Nacht daran. Und am Ende gab es nicht einmal einen Entwurf. Da bin ich sehr enttäuscht.

Welchen Rat geben Sie Ihren gesundheitspolitischen Nachfolgerinnen und Nachfolgern im Bundestag mit?
Seien Sie ehrlich und resilient gegenüber allen gesundheitspolitischen Gruppierungen. Wenn man beispielsweise etwas für die Ärzteschaft macht, dann wird sich die Pflege oder die Apothekerschaft nicht wahrgenommen fühlen – und umgekehrt. Deshalb müssen wir stärker in Netzwerken denken und dazu beitragen, dass die Heilberufe im Sinne einer guten Patientenversorgung zufriedener arbeiten und besser zusammenarbeiten können. Dazu gehört auch das Thema Bürokratie, das nicht besser, sondern seitdem ich vor 25 Jahren in die FDP eingetreten bin, nur noch schlimmer geworden ist.

Zudem brauchen wir konsequenter Strukturreformen. Die Lösung kann nicht sein, dass wir wir immer mehr Geld in ein System pumpen, das strukturell vor Jahrzehnten stehengeblieben ist. Wir müssen aufhören, herumzuwurschteln wie bisher. Zuletzt wünsche ich mir noch, dass die nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsausschuss bestimmt und verantwortungsvoll bleiben, damit endlich die politische Aufarbeitung der Pandemie starten kann und sie sollten mutig die dringend notwendigen Strukturreformen generationengerecht und nachhaltig in der ambulanten wie auch stationären Versorgung fortzusetzen und nicht rückabwickeln.

Wen wünschen Sie sich als nächsten Bundesgesundheitsminister/nächste Bundesgesundheitsministerin? Wer könnte es Ihrer Meinung nach realistisch werden?
Ich erwarte von der Person, egal wer es ist, eine enge Einbindung der Koalitionspartner. Das ist etwas, was ich in der Ampelkoalition vermisst habe. Dazu gehört auch, dass eine Prioritätenliste erstellt wird, welche Vorhaben wann gemacht werden. Dabei müssen die Koalitionspartner einbezogen werden.

Was planen Sie nach dem Ende der Zeit als Abgeordneter zu machen? Wollen Sie sich weiter gesundheitspolitisch engagieren und wenn ja, in welcher Form?
Ich bleibe weiter aktiv in der FDP. Ich bin im Bundesfachausschuss für Gesundheit und bin der Vorsitzende des Landesfachausschusses Gesundheit und Pflege in Bayern. 2026 stehen zudem Kommunalwahlen in Bayern an. Da wird Gesundheit auch ein Thema sein und wir wollen entsprechend aktiv sein. Weiter bin ich im Vorstand des Berufsverbandes der Deutschen Internistinnen und Internisten aktiv und werde die Politik von außen begleiten, auch das Thema Globale Gesundheit behalte ich im Blick. Zunächst werde ich aber eine kurze Auszeit nehmen und einmal alles Revue passieren lassen und mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.

cmk/bee

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