„Klima- und Hitzeaufklärung sollte auch vergütet werden“
Erfurt – Die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen und klimafreundliches Verhalten sind wichtige Grundpfeiler im Kampf gegen die Klimakrise. Der Planetary Health Action Survey PACE untersucht Einflüsse auf die Handlungsbereitschaft und stellt dabei auch gesundheitliche Themen in den Mittelpunkt. Ärztinnen und Ärzte kommt dabei eine wichtige Rolle in der Aufklärung zu. Mehrmals im Jahr werden unterschiedliche Menschen zwischen 18 und 74 Jahren zu denselben Themen befragt.

5 Fragen an Psychologin Cornelia Betsch, Direktorin des Instituts für Klimagesundes Verhalten (Institute for Planetary Health Behaviour) an der Universität Erfurt, Leiterin der Gesundheitskommunikation am Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin, Verantwortliche der PACE-Studie und Mitglied im Deutschen Ethikrat
Der Studie zufolge wird Ärztinnen und Ärzte direkt nach Forschenden am meisten Vertrauen entgegengebracht, richtig mit der Klimakrise umzugehen. Werden Ärztinnen und Ärzte diesem Vertrauen gerecht?
Hier gibt es schon viele interessante Entwicklungen, wie beispielsweise Klimasprechstunden. Aber gleichzeitig gibt es auch Verbesserungsbedarf: Beim Thema Hitze finden wir zum Beispiel, dass kaum einer von den Risikopersonen, und das sind sehr viel mehr als es selbst von sich denken, überhaupt jemals mit Ärzten über das Thema Hitze gesprochen haben. Viele wissen nicht, dass sie ihren Arzt ansprechen könnten oder sollten. Andersherum sprechen auch die Ärzte das Thema nicht an. Da gibt es noch einiges zu tun.
Wie kann man das verbessern?
Es gibt Communities oder NGO, die stark dafür votieren, dass Ärzte und überhaupt Gesundheitspersonal viel stärker in der Aufklärung über den Klimawandel aktiv werden. Sie bieten auch viele Ressourcen an, die dabei helfen sollen, dies in der täglichen Praxis umzusetzen.
Hier wird es auch Entwicklungen in der Weiterbildung und Abrechnungsmöglichkeiten brauchen: Man kann nicht von jedem Arzt erwarten, sich in der Freizeit gut zu informieren und das Wissen von sich aus weiterzutragen. Klima- und Hitzeaufklärung sollte auch vergütet werden und Ärzte darüber gut fortgebildet werden. Über Klima zu reden, ist manchmal auch nicht so einfach, weil es schnell politisiert. Hier braucht es also Unterstützung.
Wie kann man denn gut mit Patientinnen und Patienten über Klimaschutz reden?
Bei der Aufklärung über den Klimawandel sollten Ärzte einen konkreten Gesundheitsbezug kommunizieren. Den kann man ja beliebig herstellen, denn es gibt quasi keinen Bereich von Gesundheit, der nicht vom Klimawandel betroffen ist — denken wir an Allergien durch neue Pflanzen oder Infektionskrankheiten durch neue Mücken, die hier heimisch werden. Außerdem sollte das Wissen darüber vermittelt werden, wie man sich klimabewusst verhalten soll.
Vieles hat einen doppelten Nutzen – eine Ernährung mit mehr Pflanzen und weniger Tieren oder mehr Bewegung durch weniger Auto- und mehr Fahrradfahren ist gut für das Klima und die eigene Gesundheit. Zudem muss im Gespräch natürlich auch berücksichtigt werden, welche Barrieren es dafür gibt, dass Menschen klimabewusst handeln.
Wie kann man es schaffen, die Handlungsbereitschaft der Menschen für den Klimaschutz zu erhöhen?
Neben dem individuellen Verhalten gucken wir uns die Akzeptanz von Maßnahmen an und ob sich die Menschen selbst politisch einbringen. Das alles fassen wir als Handlungsbereitschaft gegen die Klimakrise zusammen.
Einen sehr starken Einfluss hat die wahrgenommene Effektivität von Maßnahmen. Glaub ich daran, dass Handlungen etwas bewirken? Für die Akzeptanz von Maßnahmen ist es außerdem wichtig, ob Menschen Vertrauen in Institutionen wie Politik oder eben Ärzte haben. Das eben genannte Verständnis von Gesundheitsrisiken ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Es ist ein Strauß an Faktoren, die wir uns hier angucken und der die Handlungsbereitschaft beeinflusst. Für das eigene Verhalten ist es auch ganz wichtig, wie sich die Umgebung verhält, also was die Norm ist.
Verhalten sich Leute in meiner Umgebung umweltfreundlich? Kann ich das überhaupt beobachten? Ein Beispiel dafür sind Speisekarten in Restaurants. Wenn diese zu 80 Prozent Fleisch enthalten, dann kann ich gar nichts anderes beobachten, als dass alle Fleisch essen. Fleisch zu essen, ist dann also die Norm.
Ein Ergebnis der PACE-Studie ist, dass jüngere Menschen weniger handlungsbereit sind. Wie kommt es denn dazu?
Das ist interessant, dass Sie diese Frage stellen, weil es zeigt, dass wir eine andere Erwartung haben. Wir haben ein Bild von der Fridays-for-Future-Jugend, die sehr handlungsbereit ist. Aber viele Verhaltensweisen, die klimaschädlich sind, sind bei älteren Menschen nicht so ausgeprägt, weil sie routinemäßig seltener vorkommen. Früher waren Flugreisen teuer.
Das machte man dann automatisch seltener. Auch importiertes Essen, wie Flugmangos oder Avocados, gehörte früher nicht zur Routine, das wird oft beibehalten. Jüngere Leute wachsen aber mit so etwas auf. Das Bewusstsein, dass sich die Erde ändert, dass sich das Klima – also Wetter über Zeit – ändert, das sehen wir auch eher bei älteren Leuten.
Junge Leute haben viele Lebensaufgaben, die vielleicht auch erstmal wichtiger sind, als das Klima zu retten: Sich im Leben orientieren, einen Job finden, eine Familie gründen. Deswegen sind jüngere Personen eine ganz, ganz wichtige Zielgruppe für Aufklärung und Klimakommunikation.
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