„Mehrere Impfversuche bei initialen Non-Respondern machen“
Berlin – COVID-19 und hämatoonkologische Erkrankungen sind ein Schwerpunktthema bei der 63. Jahrestagung der American Society of Hematology, die derzeit in Atlanta stattfindet und parallel virtuell.
Über die SARS-CoV-2-Impfung von Tumorpatienten sprach das Deutsche Ärzteblatt (DÄ) mit Oliver A. Cornely, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie und Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Professor für Translationale Forschung am CECAD, in Köln. Cornely arbeitet an Leitlinien der europäischen und deutschsprachigen onkologischen Fachgesellschaften zu COVID-19 mit.

5 Fragen an Oliver A. Cornely, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie und Infektiologie an der Universitätsklinik Köln
DÄ: Krebspatienten, die aufgrund einer Immunsuppression das höchste Risiko durch eine SARS-CoV-2-Infektion haben, sprechen zugleich am schlechtesten auf Coronavirusimpfstoffe an. Wie sollte man in der Praxis vorgehen?
Oliver Cornely: Grundsätzlich: trotzdem impfen. Immunsuppression ist ja nicht klar definiert. Ein Teil spricht auf die Impfung an und wir dürfen nicht denjenigen eine Impfung vorenthalten, die einen Immunschutz erreichen würden.
In der Praxis erleben wir immer wieder, dass Patienten erst nach mehreren Vakzinierungen eine Immunantwort ausbilden. Das Risiko für gravierende unerwünschte Effekte der Impfung ist vernachlässigbar gering und der potenzielle Nutzen hoch, besonders auch bei hämatoonkologischen Erkrankungen. Also wiederholt Impfversuche machen.
DÄ: Eignen sich alle zugelassenen SARS-CoV-2-Impfstoffe für Krebspatienten?
Cornely: mRNA-Impfstoffe sind die richtige Wahl für die Grundimmunisierung von Tumorpatienten. Es ist sinnvoll, bei dieser Patientengruppe zwei bis vier Wochen nach jeder Impfung auf SARS-CoV-2-spezifische Antikörper zu testen, es geht um qualitative Aussagen. Denn derzeit gibt es keine klare Referenz für Antikörpertiter, die als protektiv gelten.
Sind spezifische Antikörper nachweisbar, sollte im Zeitrahmen, den Fachgesellschaften und Gesundheitsbehörden empfehlen, nachgeimpft werden, also nach vier bis sechs Wochen die zweite Dosis und drei bis sechs Monate später die Auffrischung.
Für diese Patientengruppe ist ein Monitoring der Immunantwort zu empfehlen. Bei Durchbruchinfektionen würde man ebenfalls auf Basis einer Antikörperbestimmung über die Frage des Boosterns entscheiden und bei sehr hohen Titern mit dem Boostern noch warten.
DÄ: Wenn es nach der Grundimmunisierung aber keine Serokonversion gibt?
Cornely: Dann sollte ein weiterer Versuch folgen, der Impferfolg wird graduell immer wahrscheinlicher. Wir haben im Rahmen eines europäischen Registers zu COVID-19 bei Malignompatienten gerade eine Möglichkeit geschaffen, die Ergebnisse auch mehrerer Impfversuche bei Tumorpatienten zu dokumentieren.
Denn es hat sich herausgestellt, dass nicht nur Hämatologen und Onkologen in Deutschland so vorgehen, sondern auch Kollegen in vielen anderen europäischen Ländern. Das ist mit den geltenden Bestimmungen vereinbar.
DÄ: Ist es bei Impfversagen sinnvoll, das Impfschema zu wechseln und gibt es andererseits Tumorpatienten, bei denen man mit einer Impfung zurückhaltend sein sollte ?
Cornely: Wenn sich nach mehreren Versuchen mit einem mRNA-Impfstoff keine humorale Immunantwort nachweisen lässt, kann man es mit einem vektorbasierten Impfstoff versuchen, also mit einem heterologen Schema. Grundsätzlich gibt es nur wenige Kontraindikationen für eine SARS-CoV-2-Impfung bei Tumorpatienten.
Ein erhöhtes Risiko für anaphylaktische Reaktionen gehört natürlich dazu. Solche Patienten haben wir auch und dann empfiehlt sich eine Abwägung im interdisziplinären Team. Ein Strategiewechsel zu einer Präexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern ist bei ausbleibender Impfantwort ebenfalls ein Weg, um Phasen hoher Inzidenzen zu überbrücken.
DÄ: Sind Ihrer Kenntnis nach die Impfraten bei Tumorpatienten in Deutschland ausreichend?
Cornely: Es gibt in Deutschland eine grundsätzliche Unterversorgung beim Impfen Erwachsener, auch bei Tumorpatienten. Bei SARS-CoV-2 sind die Raten höher, dennoch werden offenbar die Chancen für einen Impferfolg bei diesen Patienten zum Teil unterschätzt. Nochmals mein Plädoyer: mehrfach versuchen!
Wenn es schließlich gelingt, eine Immunantwort zu erzeugen, ist das ein großer Erfolg – für den Patienten und für den Arzt. Es zeichnet sich ab, dass das Virus in Deutschland endemisch bleiben wird. Irgendwann wird sich also jeder infizieren und wir wissen, dass Tumorpatienten, besonders auch die mit hämatoonkologischen Erkrankungen, ein erhöhtes Risiko für schwere und tödlich verlaufende COVID-19-Erkrankungen haben. Dem sollten wir unbedingt entgegenwirken
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