„Verbesserte Prozesse in der Arzneimitteltherapie sind noch die Ausnahme“
Berlin/Saarbrücken – Im Jahr 2008 wurde der erste von mittlerweile vier Aktionsplänen Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) auf den Weg gebracht. In den Aktionsplänen werden zahlreiche Ziele formuliert, die die Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland verbessern sollen. Anlässlich des 5. Deutschen Kongresses für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie, der am 18. und 19. Oktober in Berlin stattfindet, erklärt Daniel Grandt, Mitglied des Vorstands der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), was die Aktionspläne AMTS bislang bewirkt haben und was sich in Zukunft verändern muss, um die Arzneimitteltherapie weiter zu verbessern.

Fünf Fragen an Daniel Grandt, AkdÄ
DÄ: Welche der Maßnahmen aus den bisherigen vier Aktionsplänen AMTS haben aus Ihrer Sicht bislang die größte Wirkung entfaltet?
Daniel Grandt: Die Aktionspläne werden von vielen Akteuren des Gesundheitswesens erarbeitet. Die Koordinierungsgruppe, die von der AkdÄ geleitet wird, setzt sich aus Vertretern der Ärzteschaft, der Apotheker, der Krankenhäuser, der Pflege, der Gesundheitspolitik und der Patienten zusammen. In jedem Aktionsplan werden konkrete Maßnahmen beschlossen und es wird benannt, wer für deren Umsetzung verantwortlich ist. In dem aktuellen Aktionsplan für den Zeitraum 2016 bis 2019 sind 42 Maßnahmen benannt, zum Beispiel im Bereich der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für vermeidbare Risiken der Arzneimitteltherapie.
Die Maßnahme mit der bislang größten Breitenwirkung und Wahrnehmung ist sicherlich der bundeseinheitliche Medikationsplan. Aber auch Embryotox, eine Beratungsmöglichkeit zur Arzneitherapie in Schwangerschaft und Stillzeit, ist ein gutes Beispiel für eine Maßnahme mit großer Reichweite. Zudem haben zahlreiche Forschungsprojekte wichtige Impulse gesetzt und Veränderungen bewirkt.
DÄ: Welche Maßnahmen wurden bislang in die Regelversorgung übernommen?
Grandt: Der Medikationsplan ist auch hier das Paradebeispiel. Die zur Verbesserung der AMTS notwendigen Prozessveränderungen in Behandlungseinrichtungen werden vielfach in der Praxis umgesetzt, auch wenn sie auf übergeordneter Ebene kaum wahrgenommen werden. An einigen Stellen ist hier schon viel passiert, was Patienten in der Routineversorgung erreicht. Dennoch sind verbesserte Prozesse in der Praxis bislang noch immer die Ausnahme und nicht die Regel in der Arzneimitteltherapie.
DÄ: Warum haben es gerade diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht in die Regelversorgung geschafft?
Grandt: Die Regelversorgung erreicht das zuerst, was plausibel und leicht umzusetzen ist, und das, was durch Verordnung eingeführt werden kann.
DÄ: Welche Bedeutung haben die Aktionspläne AMTS für die Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland?
Grandt: Die Aktionspläne haben vermeidbare Risiken der Arzneimitteltherapie zum Thema gemacht. Den Begriff Arzneimitteltherapiesicherheit haben wir 2005 in Deutschland erstmals benutzt. Heute findet Google dafür 245.000 Treffer. Aber es gilt das Gleiche wie für den Klimawandel: Nur darüber zu reden hilft nicht. Es braucht entschlossenes und effektives Handeln.
DÄ: Welche Maßnahmen müssen aus Ihrer Sicht als nächstes ergriffen werden, um die AMTS weiterhin zu verbessern?
Grandt: Das größte Hemmnis ist nicht mehr fehlendes Wissen über das Problem oder über wirksame Lösungen, sondern eine inadäquate Risikoeinstellung bei den meisten Beteiligten. Wir alle akzeptieren, dass ein relevanter Teil der Patienten durch prozessbedingte Risiken vermeidbar gefährdet wird. Erst, wenn wir einen Konsens darüber erzielen, dass es inakzeptabel ist, dass Patienten durch unzureichende AMTS zu Schaden kommen, werden Maßnahmen zur Verbesserung der AMTS die notwendige Priorität erhalten, damit sie flächendeckend und wirksam umgesetzt werden. Neben diesem Bewusstseinswandel wäre die Messung von vermeidbaren Risiken beziehungsweise AMTS in der Routineversorgung ein notwendiger Schritt.
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