„Wir brauchen konkrete Lösungen“
Hamburg – Die Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen und die Pandemieprävention stehen auf der Agenda des G20-Gipfels in Hamburg. Frank Ulrich Montgomery zum Engagements Deutschlands für die globale Gesundheit und seine Erwartungen an den Gipfel in Hamburg.

5 Fragen an den Präsidenten der Bundesärztekammer und der Ärztekammer Hamburg, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery
DÄ: Der Krieg in Syrien, Raketentests in Nordkorea und internationaler Handelsstreit dürften die beherrschenden Themen des G20-Gipfels in Ihrer Heimatstadt Hamburg sein. Droht angesichts dieser Mega-Themen die von Deutschland auf die Agenda gesetzte internationale Gesundheitspolitik aus den Blick zu geraten?
Montgmomery: Die Gefahr besteht natürlich, aber den Staats- und Regierungschefs sollte klar sein, dass solche sogenannten weichen Themen knallharte Problemlagen beinhalten. Die können sich kurz- und mittelfristig zu handfesten internationalen Krisen entwickeln. Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist dafür nur ein Beispiel. Ich glaube aber, dass Deutschland als Gastgeber des Gipfels sehr genau darauf achten wird, dass die Gesundheitspolitik nicht außen vor bleibt.
DÄ:Deutschland setzt sich seit einigen Jahren intensiv für die Förderung der globalen Gesundheit ein. Nur was die finanzielle Unterstützung angeht, scheint sich die Bundesrepublik noch zurückzuhalten…
Montgomery:...weil sie das von der WHO gesetzte Ausgabenziel von 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Finanzierung globaler Gesundheit nach Angaben von Nicht-Regierungsorganisationen mit realisierten 0,03 Prozent noch nicht erreicht hat. Und es stimmt, dass Länder wie die USA und das Vereinigte Königreich weit mehr ausgeben. Wir müssen aber auch in anderen Bereichen weiter vorankommen. Nach einer aktuellen Lancet-Studie hat Deutschland einen Rückstand in der Public-Health-Forschung und zu wenig Austausch mit anderen Ländern auf diesem Gebiet. Da muss etwas passieren. Das Autorenteam weist aber auch darauf hin, dass Deutschland die internationale Gesundheitspolitik seit etwa zehn Jahren maßgeblich systematisch mitgestaltet. Dass die Gesundheitspolitik überhaupt auf dem G20-Gipfel diskutiert wird, zeigt doch, welchen Stellenwert Deutschland diesem Thema beimisst.
DÄ:Was sind die wichtigsten Maßnahmen?
Montgmomery: In Deutschland wurden mit der Antibiotika-Resistenzstrategie wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, mit denen unter anderem die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika, alternativer Therapiemethoden und schnellerer Testverfahren verstärkt werden sollen. Auch die Ärzteschaft bringt sich hier intensiv ein. In der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden grundlegende Kenntnisse über Antibiotika-Resistenzen und eine rationale Antibiotika-Therapie vermittelt.
Auch sind Fragen zum Einsatz von Antibiotika fester Bestandteil der Fortbildungsprogramme der Landesärztekammern. Aber auch auf diesem Gebiet ist internationale Zusammenarbeit gefragt. Ein globaler Fonds für Grundlagenforschung wäre ein wichtiger Schritt. Und natürlich muss bei neuen Antibiotika der globale Bedarf im Blick behalten werden. Neue Wirkstoffe müssen auch für Schwellen- und Entwicklungsländer zugänglich sein. Die WHO hat eigens hierfür Partnerschaftsprogramme mit der Industrie ins Leben gerufen mit dem Ziel, global dringend notwendige Antibiotika und Impfstoffe zu entwickeln.
DÄ: Neben der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen steht die Prävention globaler Epidemien auf der Agenda des G20-Gipfels. Was erwarten Sie?
Montgmomery: Das Stichwort „Ebola“ habe ich eben genannt. Der Ausbruch vor drei Jahren hat uns gezeigt, dass wir bei der nächsten Pandemie besser vorbereitet sein müssen. Ich habe es schon einmal gesagt und ich bleibe dabei: Um schnell reagieren zu können, brauchen wir Notfallhilfe und Kriseninterventionsmaßnahmen im Standby-Modus. Der Aufbau des European Medical Corps gegen weltweite Epidemien war ein wichtiger Schritt. Das allein aber reicht nicht.
Wir brauchen für den Ernstfall international abgestimmte Informationsketten. Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt sein und Ansprechpartner in potentiellen Krisenländern bestimmt werden. Vor allem aber müssen wir die Gesundheitseinrichtungen und -strukturen vor Ort stärken. Funktionierende Gesundheitssysteme sind die beste Pandemieprävention. Ich wäre froh, wenn die Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel hier zu konkreten Lösungen kommen und dies auch in ihrem Abschlusskommuniqué dokumentieren.
DÄ: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie erleben Sie als Hamburger den G20-Gipfel?
Montgmomery:Zuerst einmal ist der Gipfel eine tolle Chance eine tolle Stadt darzustellen. Und in einer weltoffenen Stadt gibt es auch die Möglichkeit seinen Protest gegen die Politik der „G20-Mächtigen“ zu artikulieren. Ich bin aber zutiefst entsetzt über den Missbrauch unserer demokratischen Grundrechte durch Anarchos die Scheiben einschlagen, Autos abfackeln und alles zerstörend durch die Stadt vagabundieren. Wer sein Recht auf demokratischen Protest wahrnehmen will, muss sich von diesen Gewalttätern abgrenzen. Was ich gesehen habe war keine Spielerei mehr. Das hat Hamburg nicht verdient!
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