Ausland

425 legale Schwangerschaftsabbrüche in Polen gezählt

  • Freitag, 26. Juli 2024
Hunderte von Demonstranten versammeln sich vor dem Parlament in Warschau, nachdem der jüngste Gesetzesentwurf, der eine Lockerung des strengen polnischen Abtreibungsgesetzes vorsah, von den konservativsten Politikern abgelehnt wurde. /picture alliance, NurPhoto, Aleksander Kalka
Hunderte von Demonstranten versammeln sich vor dem Parlament in Warschau, nachdem der jüngste Gesetzesentwurf, der eine Lockerung des strengen polnischen Abtreibungsgesetzes vorsah, von den konservativsten Politikern abgelehnt wurde. /picture alliance, NurPhoto, Aleksander Kalka

Warschau – Unter dem strengen polnischen Abtreibungs­recht sind nach Angaben der Frauenrechtsorga­nisation Legalna Aborcija im vergangenen Jahr 425 Schwangerschaften legal abgebrochen worden. Die Organisation be­ruft sich dabei auf eine Statistik aus dem Gesundheitsministerium in Warschau, wie die Nachrichtenagentur PAP meldete.

In 423 Fällen seien Leben und Gesundheit der Schwangeren gefährdet gewesen. In zwei Fällen seien die Schwangerschaften durch Straftaten, also Vergewaltigungen, entstanden. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2023 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 106.000 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet.

Die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen in Polen ist eine der strengsten in Europa; sie ist unter der vorigen nationalkonservativen Regierung noch einmal verschärft worden. Erlaubt ist ein Abbruch nur nach einer Vergewaltigung oder nach Inzest oder wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.

Weist das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen auf, dürfen Frauen nach einem Urteil des Verfassungsgerichts von 2020 trotzdem keinen Abbruch vornehmen. Die neue Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk hat eine Liberalisierung versprochen. Sie scheiterte damit aber Mitte Juli im Parlament, weil der konserva­tivere Teil der Koalition nicht mitzog.

Die Zahl der Abbrüche 2023 sei deutlich höher gewesen als 2022 mit 161 Fällen, sagte eine Vertreterin von Le­galna Aborcja. Sie deutete den Anstieg so, dass die Kliniken häufiger zugunsten des Lebensrechts der schwange­ren Frauen entschieden. „Es ist nur schade, dass erst mehrere Menschen sterben mussten, bevor damit begonnen wurde, Abtreibungen zumindest in den vom Gesetz vorgesehenen Extremfällen durchzuführen“, kommentierte sie.

Regional seien die legalen Abbrüche sehr ungleich verteilt, was darauf hindeute, dass sie nicht überall verfügbar seien. Dies sei typisch, wenn Schwangerschafts­abbrüche kriminalisiert würden – das gehe aus Erfahrungen der Weltgesundheitsorganisation WHO hervor.

Die polnische Föderation für Frauen und Familienplanung schätzt, dass trotz dieser Rechtslage jährlich zwischen 80.000 und 200.000 Schwangerschafts­abbrüche bei polnischen Frauen vorgenommen werden – sei es im Aus­land oder durch die Abtreibungspille.

Der gescheiterte Gesetzentwurf sollte die Beihilfe für Schwangerschafts­abbrüche entkriminalisieren. Für Minis­terpräsident Tusk bedeutet das Scheitern eine Schlappe. Er sagte vorgestern erneut, wie leid ihm dies tue, wies aber keinen Ausweg. „Es gibt nachweisbar keine Mehrheit für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts im Sejm“, sagte er.

POlens Gesundheitsministerin Izabella Leszczyna sagte, vorerst sollten einige Härten im Umgang mit dem gel­ten­den Gesetz gemildert werden. Es kommt zum Beispiel vor, dass Frauen nach einer Fehlgeburt in den Verdacht eins Abbruches geraten. Insgesamt wolle sie erreichen, dass Frauen in Polen bis zur zwölften Schwangerschafts­woche über einen Abbruch entscheiden können, sagte Leszczyna.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung