Antibiotikaresistenzen weiterhin eine der größten globalen Gesundheitsbedrohungen

Genf – Antimikrobielle Resistenzen (AMR) gefährden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge die Wirksamkeit lebensrettender Behandlungen und sind eine der größten globalen Gesundheitsbedrohungen. Das geht aus dem neuen Report „Global antibiotic resistance surveillance report 2025“ der Organisation mit Meldezahlen aus dem Jahr 2023 hervor.
Demnach ist jede sechste im Labor bestätigte bakterielle Infektion durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst worden. Die Resistenzen gegenüber lebenswichtigen Antibiotika sei häufig und regional ungleich verteilt. Besonders betroffen sind laut dem Report Länder mit schwachen Gesundheitssystemen.
Der Bericht wurde vom WHO-Programm „Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System“ (GLASS) erstellt und enthält Daten aus 104 Ländern. Für die Erhebung hat das WHO-Team über 23 Millionen bakteriologisch bestätigte Infektionen berücksichtigt und Resistenzraten gegenüber 22 Antibiotika bei acht häufigen bakteriellen Erregern abgeschätzt – darunter Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Staphylococcus aureus.
Die Analysen beziehen sich auf vier Infektionstypen: Blutstrom-, Harnwegs-, gastrointestinale und urogenitale Infektionen durch Neisseria gonorrhoeae. Insgesamt hat das Team 93 Kombinationen aus Infektionstyp, Erreger und Antibiotikum untersucht.
Resistenzraten in Teilen Afrikas bei mehr 70 Prozent
Resistenzen gegen essenzielle Medikamente sind danach besonders bei gramnegativen Bakterien weit verbreitet – und sie nehmen zu. Von 2018 bis 2023 ist die Resistenz bei mehr als 40 Prozent der untersuchten Erreger gestiegen und zwar je nach Kombination Bakterium-Antibiotikum um 5 bis 15 Prozent pro Jahr.
Die Wirksamkeit von Erstlinientherapien für häufige Infektionen des Blutes, der Harnwege und des Verdauungstrakts sei daher zunehmend eingeschränkt. Am stärksten betroffen sind dem Report zufolge Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen, in denen die mikrobiologische Diagnostik und der Zugang zu alternativen Therapien begrenzt sind.
„Die Resistenz gegen lebensrettende Medikamente ist kritisch hoch und nimmt weiter zu, insbesondere in ressourcenarmen Gebieten", heißt es im Bericht. Bei mehr als 40 Prozent der E. coli- und 55 Prozent der K. pneumoniae-Bakterien seien die gängigen Antibiotika nicht mehr wirksam. In afrikanischen Ländern seien es manchmal mehr als 70 Prozent.
Die WHO fordert, die Gesundheitssysteme zu stärken, Infektionen vorzubeugen und den Zugang zu angemessener Diagnostik und Behandlung zu sichern.
Das WHO-Programm GLASS wurde 2015 eingerichtet und 2020 auf die Erfassung des Antibiotikaverbrauchs erweitert. Ziel ist eine standardisierte Sammlung, Analyse und Veröffentlichung von Resistenzdaten. Die Methodik umfasst auch statistische Modellierungen, um Unterschiede in Bevölkerungsstruktur und Surveillance-Abdeckung zu berücksichtigen, also bei der systematischen Datenerfassung.
Nach Aussagen aus dem Report hat sich die Beteiligung am GLASS-Programm seit 2016 vervierfacht. Im Jahr 2023 lieferten 104 Länder Daten, was über 70 Prozent der Weltbevölkerung abdecke. Die höchsten Teilnahmequoten verzeichneten Südostasien und der östliche Mittelmeerraum.
Dennoch gebe es auch erhebliche Meldelücken – etwas in der WHO-Region „Westlicher Pazifikraum“. Dazu gehören neben Australien, Neuseeland, China, Japan und Südkorea auch die Philippinen, Vietnam, Malaysia, Singapur, Papua-Neuguinea und mehrere pazifische Inselstaaten. In der WHO-Region „Europa“ übermittelten 31 von 53 Ländern Resistenzdaten, das entspricht 58,5 Prozent der Länder.
Auch Forschende aus Deutschland warnen vor zunehmenden Todesfällen durch Antibiotikaresistenzen und sprechen sich unter anderem für eine bessere Krankenhaushygiene, Prävention etwa durch Impfungen, und gute Surveillancesysteme aus.
„Es besteht die Gefahr, dass die Anzahl der Toten durch antibiotikaresistente Erreger auf fast zehn Millionen pro Jahr weltweit bis zum Jahr 2050 ansteigt”, prophezeite Tim Eckmanns vom Robert-Koch-Institut (RKI). Er erklärte zur aktuellen Situation in Deutschland: „Circa 9.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an resistenten Erregern nur wegen der Resistenz. Dies sind dreimal mehr als Verkehrstote. Ohne Resistenz würden diese Menschen noch leben."
Allerdings könnten gezielte Maßnahmen dazu beitragen, dass Resistenzen zurückgehen. Als Beispiel nannte er die MRSA-Zahlen in Deutschland Österreich und der Schweiz. „Vor zehn Jahren war der Anteil von MRSA an allen S. aureus in allen drei Ländern in Blutkulturen noch über 15 Prozent, jetzt ist er in allen drei Ländern unter fünf Prozent.“ Gleichzeitig wies er jedoch auf den Anstieg von Resistenzen im gramnegativen Bereich und speziell Carbapenem-resistenter Erreger hin.
Mathias W. Pletz vom Universitätsklinikum Jena sieht die Krankenhausreform als einen Baustein, gegen die zunehmende Zahl von Antibiotikaresistenzen vorzugehen, da Infektiologie und Mikrobiologie strukturell in allen Kliniken verankert werden soll.
Er warnte vor einer Rückkehr eines präantibiotischen Zeitalters. „Selbst Routineeingriffe oder Kaiserschnitte könnten wieder lebensgefährlich werden." Zudem würden Krebstherapien und Implantate viele immunsupprimierte und infektanfällige Patienten und Patientinnen generieren. „Ohne wirksame Antibiotika wird dieser Fortschritt keine weitere Verlängerung der Lebenserwartung bedingen.”
Entwicklung neuer Therapien unzureichend
Mehrere Forschende wiesen auf die Entwicklung neuer Therapien bei bakteriellen Infektionen wie der Phagen-Therapie oder β-Lactam-Enhancer hin. Allerdings seien die Anstrengungen nicht ausreichend und es fehle an finanziellen Anreizen.
Andreas Peschel von der Eberhard Karls Universität Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) forderte die Einführung von Anreizen für die Entwicklung neuer Antibiotika: „Staatliche, an die erfolgreiche Entwicklung eines neuen Antibiotikums geknüpfte Anreize, sogenannte ‚Pull‘-Mechanismen, werden von einigen europäischen Staaten geprüft, während das deutsche Gesundheitsministerium bislang leider keine entsprechende Bereitschaft gezeigt hat."
Victoria Schneitler vom Universitätsklinikum Düsseldorf fasste zusammen: „In Summe: Diese neuen und alternativen Ansätze sind wichtig und vielversprechend, aber sie reichen noch nicht aus." Es brauche Kooperationen zwischen akademischer und klinischer Forschung, Industrie und öffentlichen Förderprogrammen, erklärte sie.
Annemarie Käsbohrer, Leiterin der Fachgruppe Epidemiologie, Zoonosen, Antibiotikaresistenzen, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), sprach sich ebenfalls dafür aus, dass verschiedene Akteure zusammenarbeiten müssten und stellte zudem die Tiergesundheit als einen wichtigen Forschungsbereich heraus.
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