Ausland

Deutschland hinkt bei ePA-Umsetzung im europäischen Vergleich weiter hinterher

  • Mittwoch, 8. Oktober 2025
/Rhön Stiftung
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Berlin – Deutschland ist es trotz der politischen Maßnahmen in den vergangenen Jahren nicht gelungen, bei der Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) seinen Rückstand zu anderen europäischen Ländern zu verringern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Instituts für angewandte Versorgungsforschung (inav) im Auftrag der Rhön-Stiftung.

Nach 2016 und 2018 hatte das Institut zum dritten Mal anhand 32 verschiedener Indikatoren untersucht, wie ePA in 26 verschiedenen europäischen Ländern umgesetzt werden, und daraus einen Score berechnet, den es wiederum in einem Ranking zusammenfasst.

Dabei zeige sich, dass viele Länder seit 2018 eine große Entwicklung vollzogen hätten, „sodass der Vergleich nunmehr auf einem anderen Reifeniveau gezogen werden kann“, wie es in der Studie heißt. „Während es bei den ersten Erhebungen noch darum ging, ob überhaupt eine ePA implementiert ist, steht nunmehr im Vordergrund, wie ausgereift die ePA in den verglichenen Ländern ist und wie sie genutzt wird.“

Die 32 Indikatoren wurden dazu in fünf Kategorien zusammengefasst und unterschiedlich gewichtet: infrastrukturelle Voraussetzungen, Nutzungseigenschaften und Gesundheitskompetenz, Rechtliche Rahmenbedingungen, Nutzung und Implementierung sowie Inhalte und Funktionen.

Im Spitzenfeld hat sich indes nicht viel geändert. Dänemark und Finnland führen das Ranking nach wie vor an, gefolgt von Estland und Schweden. Darauf folgt jedoch bereits Slowenien, das noch 2018 zu den Schlusslichtern in Europa gehörte, also in den zurückliegenden fünf Jahren massive Fortschritte gemacht hat.

Im hinteren Drittel der Tabelle finden sich neben Deutschland unter anderem auch Frankreich, Polen, Tschechien und Kroatien. Bulgarien, Irland und Rumänien bilden die Schlusslichter.

Unterschiedliche Stärken und Schwächen

Allerdings falle bei Betrachtung der Länder auf, dass sich deren Ergebnisse aus teils sehr unterschiedlichen Rängen in den einzelnen untersuchten Teilkategorien ergeben.

So nimmt Deutschland in der Kategorie Rechtliche Rahmenbedingungen eine der vor­deren Positionen ein, gehört aber in den Ka­tegorien Nutzungseigenschaften und Gesundheitskom­petenz sowie Inhalte und Funktionen zu den Ländern mit weniger Punkten.

Die deutsche Platzierung im hinteren Mittelfeld falle angesichts der im europäi­schen Vergleich höchsten Gesundheitsausgaben besonders ins Gewicht. „Für das viele Geld, das wir investieren, muss der Gewinn höher sein“, sagte Volker Amelung, Professor für Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover und Geschäftsführer des inav, heute bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Zwar seien viele politische Weichenstellungen der vergangenen Jahre absolut richtig gewesen. Die konkrete Umsetzung der ePA sei in Deutschland aber trotz der frühen Einführung der Telematikinfrastruktur (TI) und der gesetzlichen Einführung der ePA lange fragmentiert geblieben.

Statt auf Fristen und Sanktionen zu setzen, müsse man mehr ökonomische Anreize setzen, um die verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen zur Nutzung digitaler Anwendungen zu incentivieren, forderte er.

Hier sei die dänische Digitalisierungspolitik ein Vorbild. „Die haben die Videosprechstunden am Anfang so unverschämt hoch vergütet, dass man das gar nicht nur nebenbei laufen lassen konnte“, erklärte Amelung. „Wir müssen bei der ePA noch viel mehr danach schauen, was für die einzelnen Akteure drin ist.“

Unter den 18 Ländern, die bereits 2018 untersucht worden waren, befindet sich Deutschland auf dem 14. Platz und hat sich damit um eine Position verschlechtert. Insgesamt belegt es zusammen mit Zypern den 19. von 26 Plätzen.

Dynamische Entwicklung

Auch dass Slowenien so stark aufgeholt hat, erkläre sich vor allem aus Verbesserungen in einzelnen Teilgebieten. So habe das Land besonders gute infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen sowie in der Kategorie Inhalte und Funktionen gemeinsam mit Dänemark die höchste Punktzahl erreicht.

„Das impliziert, dass die verfügbare ePA zahlreiche Inhalte abbildet und Patienten sowohl Zugang zur eigenen ePA haben als auch mit dieser interagieren können“, heißt es in der Studie. Dafür liege Slowenien in den Kategorien Nutzungs­eigenschaften und Gesundheitskompetenz, Rechtliche Rahmenbedingungen sowie Nutzung und Implementie­rung nur im Mittelfeld.

Umgekehrt lande Estland in der Kategorie infrastrukturelle Voraussetzungen im hinteren Mittelfeld, kann aber mit Nutzung und Implementierung sowie Inhal­te und Funktionen punkten.

Zusammengenommen zeige der Vergleich der Ergebnisse aus den Jahren 2016, 2018 und 2025, dass sich die europäischen Länder weiterentwickelt und ihre digitalen Gesundheitsstrategien ausgebaut haben. Auch würden Länder, für die bereits zuvor Scores erhoben wurden, in der aktuellen Erhebung größtenteils höhere Werte aufweisen als in den vorangegangenen Jahren.

„Dies weist auf eine dynamische Entwicklung im Bereich der Digitalisierung im Gesund­heitswesen hin“, schreiben die Autorinnen und Autoren. „Gleichzeitig verdeutlichen die Ergebnisse, dass sich Fortschritte nicht in allen Ländern gleicherma­ßen vollzogen haben und weiterhin Unterschiede in der Struktur, der Nutzung und den Funktionalitäten der ePA bestehen.“

So würden Länder wie Finnland, Estland und Dänemark auf zentralisierte nationale ePA-Systeme setzen, während Länder wie Deutschland oder Österreich durch föderale und dezentrale Strukturen geprägt sind – dort also nicht nur der Staat, sondern auch unterschiedliche Akteure wie Krankenkassen, regionale Stellen oder ärztliche Organisationen an der Planung und Umsetzung der ePA beteiligt sind.

Diese strukturellen Unterschiede würden eine unmittelbare Vergleichbarkeit der Systeme erschweren, was zu Limitationen bei der Aussagekraft führe. Hinzu komme, dass ein Großteil der verfügbaren Daten aus den Jahren 2020 bis 2024 stammen, aktuelle politische Entwicklungen wie der Roll-out der ePA in Deutschland in diesem Jahr hingegen noch nicht angemessen abgebildet seien. Schlussfolgerungen aus den Daten sollten deshalb nur mit Vorsicht gezogen werden.

lau

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