EU-Kommission beteuert Bedeutung der Gesundheitspolitk in der nächsten Legislaturperiode

Berlin – Die Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Barbara Gessler, bekräftigt die Rolle der Gesundheitspolitik in der Europäischen Union (EU). Entgegen der Wahrnehmung, dass das Politikfeld für die Kommission spürbar an Priorität verloren zu haben scheine, handele es sich um ein Querschnittsthema, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich am Herzen liege, sagte sie gestern.
Nicht nur aufgrund der Coronapandemie spielte Gesundheitspolitik während der zurückliegenden Legislaturperiode in Brüssel eine so wichtige Rolle wie nie zuvor. Neben dem Aktionsplan gegen Krebs und der Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen wurden gleich mehrere Großprojekte wie der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) oder die Reform des europäischen Arzneimittelrechtsrahmens angestoßen, die bis in die neue Legislatur hineinreichen.
Nicht zuletzt Äußerungen der bisherigen EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides oder von der Leyens selbst ließen eine wachsende Bedeutung des Politikfelds auf europäischer Ebene erwarten. Ausweislich ihrer bisherigen Ankündigungen scheint die neue Kommission – deren Bestätigung durch das Parlament noch aussteht – dem Politikbereich jedoch keine herausgehobene Bedeutung mehr beizumessen.
Abgesehen von der Ankündigung eines weiteren Arzneimittelgesetzes spielen gesundheitspolitische Themen in den bisher dargelegten Leitlinien für die kommenden fünf Jahre höchstens eine Nebenrolle.
Dieser Eindruck täusche jedoch, erklärte Gessler gestern in Berlin. „Es wäre falsch, zu sagen, dass das für eine Präsidentin, die selbst Ärztin ist, kein Thema wäre“, betonte sie. Dass sie ein ausgeprägtes Bewusstsein für das Thema besitze, habe sich während der Coronapandemie gezeigt.
Von der Leyen ist promovierte und approbierte Medizinerin. Zudem hat sie einen Master of Public Health, den sie während ihrer Arbeit in der Abteilung für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover erworben hat.
Gessler betonte, Gesundheitspolitik werde von der neuen Kommission vielmehr als Querschnittsthema verstanden, das sich in verschiedenen Politikbereichen wiederfinde. So sei beispielsweise eine Stärkung der Cybersicherheit von Krankenhäusern im Rahmen der Europäischen Sicherheitsstrategie geplant.
Zum Kandidaten für den Posten des Gesundheitskommissars, dem Ungarn Olivér Várhelyi, wollte sie sich nicht äußern. Várhelyi, der als Vertrauter von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán gilt und bisher Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterung war, ist eine der umstrittensten Besetzungen in von der Leyens Kandidatenportfolio.
EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU) kritisierte die Personalie und äußerte Erwartungen, Váhelyi könnte die Befragung durch den zuständigen Ausschuss des Parlaments möglicherweise nicht überstehen. In ihrem Mission Letter an Várhelyi erklärt von der Leyen, sein Fokus werde auf der Schaffung einer Europäischen Gesundheitsunion liegen – ebenfalls ein Projekt, das bereits in der zurückliegenden Legislaturperiode angestoßen worden war.
Dazu gehöre die Diversifizierung von Lieferketten, die Verbesserung des Zugangs zu hoch entwickelten Therapien sowie eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Sicherheit der europäischen Gesundheitssysteme.
Zudem werde Várhelyi einen „One-Health-Ansatz“ verfolgen, der die Verbindung der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt in den Mittelpunkt rücke. „Die vergangenen Jahre haben die Bedeutung eines solchen Ansatzes hervorgehoben und den Bedarf nach einer wahren Europäischen Gesundheitsunion verdeutlicht“, heißt es in dem Schreiben.
Konkret soll der neue Gesundheitskommissar den geplanten Critical Medicines Act auf den Weg bringen, um das Problem grassierender Arzneimittellieferengpässe in der EU zu bekämpfen, und die Reform des EU-Arzneimittelrechtsrahmens abschließen.
Auch für die Nachbesserungen an der EU-Medizinprodukteverordnung, die bereits dieses Jahr angestoßen wurden, und den im Wesentlichen bereits ausverhandelten EHDS soll er zuständig sein sowie die Bekämpfung von antimikrobiellen Resistenzen weiterführen.
Zudem sieht das Schreiben vor, als Teil der Stärkung der Prävention weitere Gesundheitsrisiken zu adressieren. Von der Leyen nennt konkret eine Evaluierung und Reform der Gesetzgebung in Bezug auf Tabakprodukte. Dabei solle er insbesondere das Problem des Zugangs junger Menschen zu neuartigen Tabak- und Nikotinprodukten ins Auge fassen.
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