Ausland

EU-Report zeigt Schwachstellen bei der Analyse von Arzneimittellieferengpässen

  • Donnerstag, 11. Juli 2024
/Parato, stock.adobe.com
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Berlin – Die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) em­pfiehlt eine umfassende Überarbeitung der bisherigen Mechanismen zur Erkennung von Arzneimittelliefer­engpässen. Das geht aus einer aktuellen Analyse hervor, die HERA der Allianz für kritische Arzneimittel nun vorgelegt hat.

Die Analyse war ein Pilotprojekt der Europäischen Kommission zur Identifizierung von Schwachstellen in Lieferketten bei kritischen Arzneimitteln und soll eine erste Grundlage für die Erarbeitung systematischer Maßnahmen zur Bekämpfung von Engpässen bilden.

Im Dezember 2023 hatten die Kommission, die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die Spitzen der nationalen Arzneimittelagenturen eine Liste von 216 kritischen Wirkstoffen verröffentlicht.

Von diesen wurden nun elf genauer unter die Lupe genommen: Auf Basis von Daten der Zulassungsinhaber, also der pharmazeutischen Unternehmen, sowie der EMA und der nationalen Behörden der Mitgliedstaaten sollten die Risiken für Liefersicherheit dieser Wirkstoffe, aber auch die bisherige Methodik zu deren Feststell­ung eruiert werden.

So wurden unter anderem von den Unternehmen Informationen zu Lieferanten, Lieferketten und Produktions­stätten eingeholt, aber auch untersucht, mit welchen Maßnahmen die Mitgliedstaaten versuchen, bestehen­den Lieferengpässen zu begegnen.

Die Ergebnisse für die elf untersuchten, aber in der Analyse nicht namentlich genannten Wirkstoffe, wurden dann für verschiedene Indikatoren gewertet. Dazu zählen unter anderem der Anteil der Wirkstoffproduktion innerhalb der EU, der Grad der Diversifizierung der Lieferketten, Marktkonzentration, aber auch Faktoren wie unvorhersehbare Nachfrageanstiege.

Demnach gilt das Risiko in den jeweiligen Indikatoren als besonders hoch, wenn beispielsweise mehr als 30 Prozent der Wirkstoffproduktion außerhalb der EU erfolgen, wenn es weniger als vier Produktionsstätten für das jeweilige Präparat gibt oder aber, wenn mehr als 30 Prozent der Produktion von nur einem Lieferanten oder aus einem Land kommen.

Insbesondere der Indikator Marktkonzentration gab ein eindeutiges Bild ab: Bei allen elf untersuchten Medi­kamenten stammen mehr als 30 Prozent der Produktion von nur einem Lieferanten oder aus einem Land. Vier der elf Arzneimittel unterliegen einem hohen Risiko, weil weniger als 30 Prozent der Produktion innerhalb der EU erfolgt.

Das verdeutliche die hohe Abhängigkeit von Wirkstoffproduzenten außerhalb Europas, heißt es in der Analyse. Bei weiteren vier Arzneimitteln wiederum seien wirtschaftliche Faktoren ein besonderes Risiko: Hier hätten vor allem die Hersteller selbst darauf verwiesen, dass Kostendruck, niedrige Erstattungspreise, starker Wettbe­werb oder Energiekosten und Inflation das Risiko von Marktausfällen erhöhe.

„Die Analyse der verfügbaren Informationen ergab, dass Engpässe bei kritischen Arzneimitteln, die auf EU/­EWR-Ebene analysiert wurden, in erster Linie auf Herstellungsprobleme und unerwartete Nachfragesteige­rungen zurückzuführen sind“, heißt es in dem Report. Allerdings habe die Analyse erheblichen Beschränkun­gen unterlegen. „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass viele Informationen über Mangelmeldungen keine genauen Angaben über die Ursache enthielten.“

Dafür seien insbesondere drei Defizite verantwortlich: Es gebe keine rechtliche Grundlage für die Datener­hebung und den Informationsaustausch, es mangele an Harmonisierung und Standardisierung der Daten und die Unternehmen seien zögerlich, hochsensible kommerzielle Informationen mit den Behörden zu teilen.

„Die ursprüngliche These, dass die gewählten Indikatoren die Ursachen für Engpässe angemessen erfassen, kann durch das Pilotprojekt nur teilweise bestätigt werden“, heißt es weiter. Sowohl die Behörden der Mit­gliedstaaten als auch die pharmazeutischen Unternehmen hätten darauf hingewiesen, dass es ein breites Spektrum von Ursachen für Engpässe gebe und die derzeitigen Indikatoren nicht in der Lage seien, diese zu antizipieren und entsprechend darzustellen.

„Es wird empfohlen, die derzeitige Methodik und die Indikatoren umfassend zu überarbeiten, um ein robustes System zur Anzeige von Schwachstellen zu schaffen“, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren daraus. Ziel müsse es sein, ein höheres Niveau an Detailliertheit und Granularität der verfügbaren Daten herzustellen. Dazu sei zuerst eine umfassende Revision der bisherigen Methodik und Indikatoren vonnöten.

lau

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