Ausland

Fachjournale werfen US-Arzneimittelbe­hörde FDA Nachlässigkeit vor

  • Freitag, 2. Oktober 2020
/Eisenhans, stock.adobe.com
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Washington – Mitarbeiter des Fachjournals Science haben der für Medikamente zustän­di­gen US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) Nachlässigkeit bei der Überwachung klinischer Studien vor­ge­worfen.

Die FDA kontrolliere die meist von Pharmakonzernen in Auftrag gegebenen Studien, etwa Zulassungsstudien von Medikamenten an Menschen, lasch, langsam und verschwiegen, heißt es in der gestern veröffentlichten Untersuchung. Verstöße blieben zunehmend ohne Konsequenzen.

Auch die Autoren eines im New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichten Artikels erheben Vorwürfe gegen die US-Behörde: Politischer Druck beeinflusse die FDA bei der Zulassung möglicher Coronaimpfstoffe.

Das zeige sich bei der jüngst erteilten Notfallzulassung für Hydroxychloroquin und Chlo­roquin, die schon nach einigen Wochen wieder zurückgezogen wurde, schreibt das Team aus Medizinern und Statistikern.

Die im August erteilte Zulassung von Rekonvaleszenzplasma – dem Plasma von ehema­ligen COVID-19-Erkrankten – für Coronapatienten basiere auf einer „undurchsichtigen“ und „unklaren“ Datenlage.

Ohne transparente und wissenschaftlich fundierte Prozesse, verspiele die FDA das Ver­trau­en, das sie im vergangenen Jahrhundert aufgebaut und aufrechterhalten habe, schrei­ben die Wissenschaftler im NEJM.

Ärzte und Patienten müssten sich darauf verlassen können, dass jede Zulassung auf einer sorgfältigen Bewertung aller verfügbaren Daten beruhe und dass die Entscheidungen der Behörde gut begründet und objektiv seien.

Die Science-Mitarbeiter Charles Piller und Meagan Weiland sichteten nach eigenen Anga­ben rund 1.600 interne Dokumente der Arzneimittelbehörde aus einem Zeitraum von etwa zehn Jahren bis 2019.

FDA-Gutachter hätten die teils „gefährlichen und gesetzeswidrigen Praktiken“ bei den klinischen Studien zwar dokumentiert, die Behörde habe die Unternehmen bei Verstößen aber nur in Ausnahmefällen geahndet und zur Nachbesserung gezwungen. So sei es etwa oft folgenlos geblieben, wenn Studienteilnehmer über Risiken nicht ausreichend infor­miert oder Erhebungen nicht sorgfältig dokumentiert wurden.

Den Recherchen zufolge hat sich zudem die Anzahl der durch die US-Behörde ausgespro­chenen Verwarnungen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert: Während die Be­hörde in den ersten drei Amtsjahren von Präsident Barack Obama (2009 bis 2011) noch 99 „warning letters“ für schwerwiegende Verstöße ausstellte, waren es in seinen letzten drei Amtsjahren (2014 bis 2017) noch 36 und nur 12 während der ersten drei Jahre unter Donald Trump.

Gleichzeitig sei die Anzahl der durch die FDA überprüften Vorgänge unter Trump deutlich angestiegen. Auch das Behördenbudget habe sich im Laufe der Jahre erhöht.

Die US-Behörde erklärte dazu, die Zahl solcher Verwarnungen könne „zurückgehen und ansteigen“. Die Trump-Regierung beeinflusse ihre Arbeit nicht.

Im Zusammenhang mit einer möglichen Zulassung eines Coronaimpfstoffs hatte FDA-Chef Stephen Hahn mehrfach die politische Unabhängigkeit der Behörde betont. Die FDA werde sich bei der Zulassung eines Impfstoffs an ihre bekannten und streng wissen­schaftlichen Abläufe halten.

dpa

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