Ausland

Gegen „alternative Fakten“: Forscher machen Front gegen Trump

  • Montag, 13. Februar 2017

Washington/Berlin – Ob „alternative Fakten“, der Abwehrkampf um Klimawandeldaten oder die Streichung von Forschungsgeldern: Es gibt viele Gründe, weshalb nach den ersten Wochen der Regierung von Donald Trump auch US-Forscher in Aufruhr sind. Hun­derttausende dürfte der Protest am „Welttag der Erde“ am 22. April nach Washing­ton führen, um weithin sichtbar für die Freiheit der Wissenschaft zu demonstrieren – unter anderem mit einem „Science-March“. In rund 100 Städten und elf anderen Ländern sind Satellitenmärsche geplant.

Müssen Wissenschaftler in einer führenden Forschernation tatsächlich jetzt um ihre Frei­heit fürchten? Ja, so weit kann es kommen, meinen viele in den USA. Und nicht nur dort werden Sorgen laut über einen womöglich radikal veränderten Kurs der USA bei For­schung und Lehre.

Auch die deutsche Forschungsministerin Johanna Wanka zeigt sich alarmiert. Zu einem weiterhin starken Standort USA gehöre, „dass Wissenschaftler frei arbeiten können“, sagte sie. Ihr sei wichtig, „dass die Arbeitsmöglichkeiten für ausländische Forscher in den USA sich nicht verschlechtern“. Die ansonsten stets zurückhaltend auftretende CDU-Politikerin wird angesichts der Entwicklungen in Washington sehr ernst – und sehr grundsätzlich: Jede Einschränkung „wäre für den Erkenntnisfortschritt schlecht“.

Die Ängste von Wissenschaftlern und Politikern weltweit sind nicht unbegründet. Wenige Tage, teils sogar nur Stunden dauerte es, bis die neue republikanische US-Regierung wissenschaftsfeindliche Wahlkampfankündigungen umsetzte. Gleich nach Trumps Amts­einführung verschwanden von der Website des Weißen Hauses Infoseiten zum Klima­wan­del – inklusive umfassenden Datenmaterials. Stattdessen verspricht dort nun Trumps „America First Energy Plan“, dass „schädliche und unnötige Strategien“ wie Obamas Kli­ma-Aktionsplan und umfassende US-Wasserschutzgesetze abgeschafft werden sollten.

Wohl auch deshalb verlangt Ministerin Wanka in Berlin jetzt, dass „deutsche Interessen auf jeden Fall gewahrt bleiben“ müssten bei der Forschungskooperation mit den USA. So sei „wichtig festzulegen, wer den Zugriff auf Rohdaten bei Forschungsprojekten hat“. Noch wisse niemand, welche Entscheidungen für den Forschungsbereich Trump noch fallen. „Wir werden aber sicherlich ein Auge darauf haben, wie künftig bilaterale Verein­ba­rungen (...) aussehen sollen“, sagt Wanka.

Für Unruhe sorgte in den USA auch eine Ankündigung in Richtung der mächtigen, bis­lang strengen Umweltschutzbehörde EPA: Deren 17.000 Mitarbeiter sollen künftig nur nach Rücksprache mit der Regierung öffentliche Stellungnahmen und Pressemittei­lun­gen abgeben dürfen. Im Gespräch war auch die Verbannung der Klimawandel-Seiten von der EPA-Homepage. Darauf werden seit Ende Januar keine neuen Inhalte mehr ge­stellt. Schließlich wandten sich über 350 Ärzteorganisationen mit einem Brief an Trump, um nach dessen Gespräch mit einem prominenten Impfskeptiker ihre klare Unterstüt­zung für Impfungen auszudrücken.

Jüngster Stachel der Regierung gegen die US-Wissenschaft: der Ende Januar verfügte Einreisestopp für Menschen aus sieben vorwiegend muslimischen Ländern. Mehr als 70.000 Forscher aus gut 170 US-Organisationen unterzeichneten einen Protestbrief, weil auch zahlreiche Studenten und Forscher betroffen sind, ähnlich reagierten die Leiter von über 150 Biotech-Unternehmen.

„Wir registrieren die Unsicherheit, die sich unter Forschern in den USA entwickelt hat“, sagte Ministerin Wanka. Diese Stimmung verspüren auch deutsche Forschungs­orga­nisa­tionen. So sagt der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Martin Strat­mann, man wisse nicht mehr genau, welchen Stellenwert die Wissenschaft in den USA in den kommenden Jahren haben werde. „Es gibt die Befürchtung, dass es die Grund­lagen­for­schung und bestimmte thematische Felder wie die Klimaforschung schwerer haben wer­den. Die US-Wissenschaft ist exzellent, aber sie lebt vom Zuzug junger Wissenschaftler aus anderen Ländern. Es wäre schädlich für ihren Erfolg, würde sie ihre enorme Strahl­kraft einbüßen.“

„Wir glauben, dass für Wissenschaftler die Zeit vorbei ist, um diesem Kampf guten Ge­wissens aus dem Weg zu gehen“, sagte die Mitinitiatorin des Science-Protestmarsches im April, Caroline Weinberg. „Man braucht dabei gar nicht parteiisch zu sein, denn Politi­ker auf beiden Seiten des Spektrums beziehen Positionen, die wissenschaftlichen Bewei­­sen klar entgegenstehen.“ Aber man könne eben eine Politik nicht ignorieren, die die Zu­kunft der Wissenschaft bedrohe.

Dennoch fragen manche, ob der Protestmarsch das geeignete Mittel ist. Der Geologe Robert Young mahnt in der New York Times, damit trivialisiere und politisiere man Wis­sen­schaft. Besser sei es, in Kirchen, Schulen und lokale Einrichtungen zu gehen, mit Men­schen zu reden und Vorurteile abzubauen. Viele Menschen würden keinen Forscher persönlich kennen. Young: „Wir sind Unbekannte, (...) die schlechte Nachrichten brin­gen.“ Der Physiker Michael Lubell vom City College of New York schreibt im US-Fach­jour­nal Science: „Wissenschaftler werden als Elite betrachtet, und vielleicht sogar als Teil des Establishments, gegen das im November so viele gewählt haben.“

Die Astrophysikerin Chanda Prescod-Weinstein von der University of Washington betont indes in der Washington Post, Wissenschaft sei nie komplett unpolitisch. Sie selbst habe erst als 63. schwarze Frau in den USA einen Doktor in Physik gemacht. „Da ist immer eine Agenda, die bestimmt, wer forschen kann, wie wir über Forschung denken, die wir gerade machen – und über Forschung, die wir machen sollten.“

dpa

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