Ausland

Großbritannien will EU-Bürgern weitreichende Bleiberechte gewähren

  • Freitag, 23. Juni 2017
Theresa May, dpa
Theresa May, dpa

Brüssel – Wenige Tage nach Beginn der Brexit-Verhandlungen hat die britische Premierministerin Theresa May den EU-Bürgern – darunter rund 1.000 Ärzten aus Deutschland – in ihrem Land ein weitreichendes Bleiberecht in Aussicht gestellt. Die Vorschläge machte May gestern beim EU-Gipfel in Brüssel, wie Teilnehmer berichteten. Wichtigster Punkt: Wer derzeit rechtmäßig im Vereinigten Königreich lebe, solle nicht gezwungen werden, das Land zu verlassen. Familien sollten nicht getrennt werden.

Es geht um rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die nach dem Antrag des Landes auf EU-Austritt um ihre Zukunft fürchten. Mays Vorschläge beruhen den Angaben zufolge auf der Annahme, dass die EU sich im Gegenzug zu ähnlichen Zusagen bereit findet. Die EU-Kommission hielt sich mit einer Reaktion zunächst zurück. Man werde das Angebot prüfen, sobald es schriftlich vorliege, und es dann mit den 27 EU-Staaten debattieren, sagte ein Sprecher.

Premierministerin May schlug den Teilnehmerangaben zufolge eine Stichtagsregelung vor: Wer vor diesem Datum fünf Jahre im Land war, sollten einen geregelten Rechtsstatus bekommen. Diese EU-Bürger sollten mit Blick auf Kranken- und Rentenversicherung möglichst so wie britische Bürger behandelt werden, hieß es.

Wer bis zum Stichtag weniger als fünf Jahre in Großbritannien gelebt habe, solle die Gelegenheit bekommen, die fünf Jahre voll zu machen und ebenfalls einen geregelten Status zu erhalten. Der Stichtag solle zwischen dem Datum des Austrittsantrags – dem 29. März 2017 – und dem Datum des Vollzugs des Brexit – dem 29. März 2019 – liegen. Das werde Gegenstand der Verhandlungen. In jedem Fall gelte für die EU-Bürger bis zum Austritt das EU-Recht.

Außerdem soll es den Angaben zufolge eine Übergangsfrist von bis zu zwei Jahren geben. In der Zeit sollen die Bürger ihren Rechtsstatus regeln können. Niemand müsse einen scharfen Bruch fürchten. Auch wer noch ins Land komme, bevor der Brexit vollzogen sei, habe eine Chance auf einen regulären Aufenthaltsstatus.

Mays Regierung hatte bereits vorige Woche ein „großzügiges Angebot“ an die EU-Bürger im Land angekündigt. In Brüssel nannte sie nun erste konkrete Vorschläge. Weitere Einzelheiten dazu will May kommenden Montag vorstellen. Anfang der Woche hatten Großbritannien und die EU ihre Verhandlungen über den EU-Austritt begonnen. Er soll bis Ende März 2019 vollzogen sein.

Das absolute Minimum

In Brüssel hat der Vorschlag der britischen Premierministerin wenig Begeisterung ausgelöst. Aus EU-Kreisen hieß es heute, dies sei „das absolute Minimum“ gewesen, mehrere EU-Spitzenpolitiker äußerten sich ähnlich skeptisch. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, der britische Vorschlag sei ein erster Schritt. „Aber dieser Schritt ist nicht ausreichend.“

Aus EU-Kreisen hieß es, es sei nicht klar, ob der britische Vorschlag „genauso großzügig“ sei wie das Angebot, das die verbleibenden 27 EU-Staaten hinsichtlich der britischen Bürger im EU-Ausland vorzuweisen hätten. „Offen gesagt: Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es diesbezüglich einige Zweifel.“

Der belgische Regierungschef Charles Michel kritisierte das Angebot als „ausgesprochen vage“. Die EU könne „nicht die Katze im Sack kaufen“. Auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte bei einem Besuch in Paris, der britische Vorschlag sei „das Minimum“. „Alleine die Tatsache, dass man dort nicht rausgeschmissen wird, halte ich jetzt noch nicht für einen überragenden Durchbruch.“

Von der britischen Regierung verlangte der deutsche Außenminister mehr „Substanz“. Unter anderem gehe es um die Frage, „welche Absicherung in der Kranken­versicherung, in der Rentenversicherung, in ihrem Rechtsstatus“ EU-Bürger künftig in Großbritannien hätten. Er sei aber froh, dass die Gespräche über einen Austritt Großbritanniens aus der EU „in guter Atmosphäre“ begonnen hätten.

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern sagte, Mays Vorschlag sei „ein Anfang, aber das löst noch nicht alle Probleme, die großen Herausforderungen kommen noch“. Die Briten seien noch „in einer Findungsphase, da gibt es noch reichlich Unsicherheit“. Der Brexit sei für Großbritannien zweifellos keine vorteilhafte Entwicklung. „Das wird den Briten jetzt schmerzlich bewusst“, sagte Kern.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung