Ausland

Lobbyverbände sollen massiv gegen PFAS-Verbot vorgehen

  • Dienstag, 14. Januar 2025
/Chris Anton, stock.adobe.com
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München – Eine internationale Recherche wirft Lobbyverbänden der Industrie vor, massiv gegen ein mög­liches Verbot potenziell krebserregender Chemikalien in der EU vorzugehen.

Die Diskussion über Beschrän­kungen von Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFAS) habe einen regelrechten „Lobby-Ansturm“ ausgelöst, berichteten Süddeutsche Zeitung (SZ), WDR und NDR heute. Allein die EU-Chemika­lienagentur Echa habe 70.000 Seiten von Unternehmen, Verbänden und Anwälten erhalten. Dabei stützten sich viele Argumente der Industrievertreter „auf falsche Angaben oder irreführende Studien“.

SZ, WDR und NDR werteten nach eigenen Angaben mit ihren internationalen Partnern aus 16 Ländern im Zuge des „Forever Lobbying Project“ tausende Dokumente aus, stellten 200 Anfragen und sprachen mit „zahlreichen Insidern und Experten“.

Im Fokus steht dabei die Chemikaliengruppe der Fluorpolymere, die in der Medizintechnik, der Halbleiterindustrie und der Herstellung von Batterien für Elektroautos genutzt wird. Nach Angaben der Industrie gelten sie als nicht gefährlich.

Dabei bezieht sich die Lobby den SZ-Angaben zufolge immer wieder auf die Internationale Organisation für wirt­schaftliche Zusammenarbeit (OECD), die dies bestätigt habe. Den Recherchen nach stimmt diese Aussage jedoch nicht.

Zwar seien die betreffenden Stoffe Thema gewesen, es seien aber „keine vereinbarten Kriterien auf OECD-Ebene festgelegt“ worden, wie der Bericht die Organisation zitiert. Es sei auch „keine Bewertung von Fluor­polymeren durchgeführt“ worden. Autoren weiterer Studien zu dem Thema seien zudem entweder bei der Industrie angestellt oder von ihr bezahlt, erklärte der Rechercheverbund.

Dennoch verfangen sich die laut SZ, WDR und NDR „zweifelhaften“ Argumente der Industrie bei der Politik. So erscheine eine ursprünglich von Deutschland mit vorgeschlagene umfangreiche Beschrän­kung der Chemikalien inzwischen „fraglich“.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte demnach im August 2023, „die Entwicklung von Tech­nologien nicht durch Überregulierung (zu) verhindern, zumal der Einsatz in geschlossenen Systemen in der Pro­duktion erfolgt“.

Internen Papieren zufolge will das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) dem Bericht zufolge Fluor­poly­mere von einer Beschränkung ausnehmen. Auf Nachfrage verwies das von Habeck geführte Ministerium zunächst auf die OECD. Auch andere Ministerien, der Bundeskanzler und CDU, CSU und FDP sehen eine vollständige Beschränkung der Chemikalien kritisch.

Eine Reihe der tausenden weltweit bekannten PFAS-Verbindungen sind in der EU bereits verboten. Brüssel kann allerdings nur Verbote für einzelne Untergruppen der Chemikalien aussprechen. Diese werden in der Industrie anschließend häufig durch ähnliche PFAS ersetzt.

Umwelt- und Verbraucherschützer fordern deshalb seit langem ein umfassendes PFAS-Verbot. Kommissions­prä­sidentin Ursula von der Leyen hatte zu Beginn ihrer vergangenen Legislaturperiode eine entsprechende Reform der EU-Chemikalienverordnung Reach angekündigt, aber nie einen Gesetzesvorschlag vorgelegt.

Die seit Dezember amtierende Umweltkommissarin Jessika Roswall soll die Verordnung „vereinfachen“, konkrete Vorschläge dafür gibt es bislang allerdings nicht.

Die Hersteller von Medizinprodukten sprachen sich zuletzt dafür aus, PFAS nicht zu verbieten. „Ein pauschales PFAS-Verbot hätte verheerende Auswirkungen auf die Versorgung mit lebensnotwendi­gen Medizinprodukten“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesverbands Medizintechnologie (BV­Med), die der Verband angesichts der Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) veröffentlicht hat.

afp

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