Mangelhafte Brustimplantate: EuGH-Urteil erwartet
Karlsruhe – Im Streit um Schadenersatz für mangelhafte Silikon-Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) will der Europäische Gerichtshof (EuGH) am kommenden Donnerstag in Luxemburg das entscheidende Urteil fällen. Angestoßen wurde das Verfahren von einer deutschen Klägerin, die 40.000 Euro Schmerzensgeld vom TÜV Rheinland fordert. Sie argumentiert, der TÜV habe das Herstellungsverfahren der mittlerweile insolventen Firma PIP zertifiziert, dabei aber seine Prüfpflichten verletzt, weshalb er für Schäden haften müsse.
Der Bundesgerichtshof (BGH) legte den Ausgangsfall dem EuGH vor. Die Karlsruher Richter wollen wissen, ob die CE-Zertifizierung tatsächlich nur das Herstellungsverfahren umfasst oder ob hierzu auch „eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht“ gehört. Die Frage lautet, ob der TÜV mit der Prüfung auch zum Schutz aller potenziellen Patienten tätig wird und deshalb unter Umständen für Schäden unmittelbar und uneingeschränkt haften muss.
Der französische Hersteller PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezialsilikon mit billigerem und gesundheitsgefährdendem Industriesilikon befüllt. Französische Behörden stoppten 2010 den Vertrieb der Implantate, weil sich Berichte über geplatzte oder undichte Silikonkissen häuften.
Die Klägerin machte geltend, der TÜV hätte bei einem Blick in die Geschäftsunterlagen von PIP entdecken können, dass die Firma ungeeignetes Industriesilikon einsetzte. In Deutschland sind nach Schätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte etwa 6.000 Frauen von dem Skandal betroffen, weltweit sind es zehntausende.
Folgt der EuGH den Schlussanträgen seiner Generalanwältin Eleanor Sharpston vom September 2016, könnte es für den TÜV Rheinland womöglich teuer werden. Die Generalanwältin ist der Ansicht, dass Stellen, die das Qualitätssicherungssystem von Herstellern von Medizinprodukten überwachten, gegenüber Patienten haftbar sein könnten, wenn sie ihre Pflichten nach den Produktsicherheitsvorschriften der Union nicht erfüllten.
Habe eine solche Stelle Kenntnis davon, dass ein Medizinprodukt fehlerhaft sein könnte, müsse sie alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um festzustellen, ob ihre Zertifizierung des betreffenden Produkts aufrecht erhalten werden könne. Das endgültige Urteil in dem Streit wird der BGH dann in einigen Monaten fällen und dazu prüfen, ab wann der TÜV Kenntnis über Produktmängel hatte.
Über den PIP-Skandal hinaus dürfte die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung sein, weil der BGH die Luxemburger Richter zudem ersuchte, den Umfang von Überwachungspflichten bei der Zulassung von medizinischen Produkten grundsätzlich zu konkretisieren. Als Konsequenz aus dem PIP-Skandal hatten die Krankenkassen schärfere Zulassungsvoraussetzungen für Medizinprodukte gefordert.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: