Ausland

Opferzahl bei Beben in Haiti übersteigt 1.400

  • Dienstag, 17. August 2021
/picture alliance/ASSOCIATED PRESS, Matias Delacroix
/picture alliance/ASSOCIATED PRESS, Matias Delacroix

Saint-Louis-du-Sud – Nach dem Erdbeben in Haiti ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 1.419 ge­stiegen. Rund 6.900 Menschen wurden bei der Katastrophe am vergangenen Samstag verletzt, wie die Zivilschutz­behörde des Karibikstaates gestern mitteilte.

Einen Tag zuvor hatte sie die Zahl der Todesopfer mit mindestens 1.297 angegeben. Es wurden noch zahlreiche Menschen in den Trümmern der vielen zerstörten Gebäude im Süden des Landes vermutet. Die Lage der Überlebenden war nicht nur wegen fehlenden Zugangs zu medizinischer Versorgung dramatisch: Dem betroffenen Gebiet näherte sich nun auch noch ein Tropensturm.

Es regnete bereits gestern Abend stark im Erdbebengebiet auf der Tiburon-Halbinsel um die Städte Les Cayes und Jérémie. Laut US-Hurrikanzentrum wurde erwartet, dass das Zentrum des Tief­druck­gebiets „Grace“ mit Windgeschwindigkeiten von etwa 55 Stundenkilometern in der Nacht über die Halbinsel zieht. Die US-Behörde warnte vor möglichen Überschwemmungen und Erdrutschen. Viele Über­lebende übernachteten bisher im Freien.

Die haitianische Menschenrechtsorganisation RNDDH kritisierte den Umgang der Regierung mit der Katastrophe als „totales Chaos“. „Sie sind völlig sich selbst überlassen“, hieß es in Bezug auf die Erdbe­benopfer. Einige suchten auf eigene Faust nach Zelten zum Schutz vor dem Unwetter. Vor personell unterbesetzten und schlecht ausgestatteten Krankenhäusern warteten verzweifelte Verletzte.

Interims-Premierminister Ariel Henry kündigte bei Twitter schnellere Arbeit an. „Wir werden unsere Energien verzehnfachen, um die größtmögliche Zahl von Opfern zu erreichen und ihnen zu helfen“, schrieb er. Für eine bessere Koordination der Maßnahmen werde die Präsenz der Regierung vor Ort erhöht. Henry ordnete auch drei Tage Staatstrauer in dem leidgeplagten Land an.

Sorgen bereitete außerdem, dass durch Bandengewalt die Fernstraße, die die Hauptstadt Port-au-Prince mit Haitis Süden verbindet, häufig unpassierbar wird – das könnte die Lieferung von Hilfsgütern er­schwe­­­ren. Banden kämpfen miteinander um Kontrolle über Gebiete in Port-au-Prince. Die Gewalt trieb allein im Juni nach UN-Zahlen rund 15.000 Menschen in die Flucht.

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen rund zwölf Kilometer von der Gemein­de Saint-Louis-du-Sud entfernt in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Mindestens 13.700 Häuser wur­den nach Angaben der Zivilschutzbehörde zerstört und ebenso viele beschädigt. Mehr als 30.000 Fami­lien seien betroffen. Laut Caritas International werden vor allem Nahrung, Trinkwasser, Zelte und medizi­nische Erstversorgung benötigt.

Haiti war auch nach dem verheerenden Erdbeben von 2010 mit mehr als 220.000 Toten schlecht auf eine ähnliche Katastrophe vorbereitet. Von dem Geld, das damals für den Wiederaufbau aus dem Ausland zu­gesagt worden war, sahen durchschnittliche Haitianer wenig – ein großer Teil verschwand infolge von Verschwendung und Korruption.

Haitis ohnehin schwer unterfinanziertes Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Pandemie überstrapaziert. Bis es Mitte Juli eine Spende aus den USA erhielt, hatte das Land als einziges in Amerika noch keinen Coronaimpfstoff.

Auch hier spielt die Bandengewalt eine Rolle: Eine Notfallklinik der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Port-au-Prince wurde geschlossen, nachdem auf sie geschossen worden war. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse durch eine Komman­do­truppe in seiner Residenz am 7. Juli verschärfte.

Die EU-Kommission hat heute angekündigt, Haiti nach dem verheerenden Erdbeben zunächst mit drei Millionen Euro zu unterstützen. Das Geld solle etwa für medizinische Versorgung vor Ort, für Wasser-, Abwasser- und Hygienedienste sowie für Unterkünfte und Schutzmaßnahmen für die am stärksten betroffenen und benachteiligten Gemeinschaften eingesetzt werden, teilte die EU-Kommission mit. „Wir sind bereit, weitere Unterstützung zu leisten“, versicherte EU-Kommissar Janez Lenarcic.

dpa

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