Ausland

Streit der EU mit Astrazeneca um Coronaimpfstoff spitzt sich zu

  • Mittwoch, 27. Januar 2021
/picture alliance, Lafargue Raphael, ABACA
/picture alliance, Lafargue Raphael, ABACA

Brüssel – Der Streit der EU mit Astrazeneca wegen Lieferengpässen des Coronaimpfstoffs spitzt sich zu. Brüssel kritisierte heute Angaben des Astrazeneca-Chefs als Falschaussagen und warf dem Unternehmen vor, ein am Abend angesetztes Treffen kurzfristig abgesagt zu haben. Der Impfstoffhersteller wider­sprach, seine Teilnahme an dem Treffen sei weiterhin vorgesehen. Unterdessen wurden die Rufe nach einer Offen­legung des EU-Vertrags mit dem britisch-schwedischen Hersteller lauter.

Astrazeneca hatte am vergangenen Freitag bekanntgegeben, der EU wegen Produktionsproblemen zunächst deutlich weniger Impfstoff liefern zu können als vorgesehen. Brüssel stört sich daran, dass das Unternehmen Großbritannien und andere Nicht-EU-Länder aber offenbar weiterhin mit ungekürzten Mengen beliefert.

Astrazeneca-Chef Pascal Soriot machte in einem Interview mit mehreren europäischen Zeitungen den späten Abschluss eines Liefervertrages der EU für die Verzögerungen verantwortlich. Großbritannien etwa habe seinen Vertrag drei Monate früher abgeschlossen. Deshalb habe es dort mehr Zeit gegeben, um „Anfangsprobleme“ in der Produktion zu beheben, sagte der Franzose in dem Interview, das unter anderem die Welt veröffentlichte.

In einem Werk in Belgien habe es „Ertragsprobleme“ gegeben, zitierte die italienische Zeitung La Re­pubblica den Firmenchef. Die Probleme seien behoben, aber hätten den Lieferzeitplan für die EU um zwei Monate zurückgeworfen. Allerdings habe sich sein Unternehmen in der Vereinbarung mit Brüssel ohnehin nicht zu festen Liefermengen verpflichtet, sondern lediglich zugesichert, „dass wir unser Bestes geben werden“.

„Wir bestreiten viele Dinge in diesem Interview“, sagte dazu ein EU-Vertreter. „Zum Beispiel die Idee, dass Produktionsstätten in Großbritannien für Lieferungen in das Vereinigte Königreich reserviert seien.“ Die Vereinbarung sehe Flexibilität vor. „Wenn es also in einem Werk in Belgien ein Problem gibt, haben wir Kapazitäten auch in anderen Werken in Europa und Großbritannien.“

Bei zwei Treffen mit EU-Vertretern am Montag hatte das Unternehmen nach Darstellung Brüssels nicht ausreichend erklären können, wie es zu den Lieferengpässen kam, weshalb für heute ein weiteres Treffen angesetzt wurde. Nach Angaben einer Kommissionssprecherin zog Astrazeneca seine Teilnahme jedoch kurzfristig zurück. Dem widersprach ein Firmensprecher. Das Treffen werde später am Tag wie geplant stattfinden.

Aus dem EU-Parlament kamen indes erneut Forderungen nach Einsicht in die Impfstoffverträge. „Diese Transparenz ist notwendig, um aufzuklären, was ist hier gerade passiert“, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Nicola Beer (FDP), dem Sender RBB. „Beste Lösung: Anstatt sich gegenseitig in den Medien zu beschuldigen, macht einfach die Verträge öffentlich“, schrieb der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange auf Twitter.

Die Kommission hat Preise, Haftungsbedingungen und weitere Details der Verträge, die sie im Namen der Mitgliedstaaten bis November mit sechs Herstellern getroffen hatte, unter Verweis auf Vertraulichkeits­klauseln nicht publik gemacht.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) könnte den Astrazeneca-Impfstoff am Freitag genehmigen. Weil es aber nur unzureichende Testdaten für ältere Menschen gibt, könnte die Zulassung womöglich auf jüngere Altergruppen beschränkt bleiben. Einen Zeitungsbericht über eine geringe Wirksamkeit des As­trazeneca-Vakzins von nur acht Prozent bei über 65-Jährigen wiesen das Unternehmen sowie das Bun­desgesundheitsministerium entschieden zurück.

afp

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung