UN-Kommission warnt vor wachsender Armut im Libanon

Beirut – Die Explosion von Beirut, täglich neue Rekordzahlen von COVID-19-Infektionen und eine erschöpfte Wirtschaft haben laut den Vereinten Nationen (UN) einen beispiellosen Anstieg der Armutsquote im Libanon verursacht.
„Schätzungen zufolge sind mehr als 55 Prozent der Bevölkerung des Landes in Armut gefangen und kämpfen um das Nötigste, das heißt, fast doppelt so viel wie im Vorjahr (28 Prozent)“, heißt es in einem Solidaritätsaufruf der Wirtschafts- und Sozialkommission für Westasien (Economic and Social Commission for Western Asia, ESCWA) von vorgestern Nachmittag.
Der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen verdreifachte sich demnach von acht Prozent im vergangenen Jahr auf aktuell 23 Prozent. Insgesamt leben laut ESCWA derzeit 2,7 Millionen Menschen unterhalb der oberen Armutsgrenze. Sie müssen mit weniger als 11,80 Euro pro Tag auskommen.
Als signifikant bezeichnet die UN-Kommission die Erosion der Mittelschicht, die im Verlauf des vergangenen Jahres von einem 57-Prozent-Anteil auf unter 40 Prozent sank. Der Anteil der Reichen in der libanesischen Bevölkerung sank von 15 Prozent (2019) auf fünf Prozent im Jahr 2020.
ESCWA-Geschäftsführerin Rola Daschti rief dringend zur Schaffung eines nationalen Solidaritätsfonds auf, um die humanitäre Krise des Libanon zu bewältigen. Finanzielle Unterstützung sei zudem dringend benötigt, um Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung sicherzustellen und sozialen Schutz zu gewährleisten.
Nach ESCWA-Angaben gehört Libanon zu den Ländern mit der größten sozialen Ungleichheit. Demnach verfügten die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung 2019 über rund 70 Prozent des Privatvermögens im Land, das auf rund 196 Milliarden Euro geschätzt wird. Das Land brauche dringend wirtschaftliche Reformen, die ein „faires und progressives System geteilter Verantwortung“ sicherstellen, so Daschti.
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