Ausland

Internationale Hilfe für Libanon angelaufen

  • Donnerstag, 6. August 2020
Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerk (THW) vor dem Abflug in die libanesische Hauptstadt Beirut. /picture alliance, Kai-Uwe Wärner
Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerk (THW) vor dem Abflug in die libanesische Hauptstadt Beirut. /picture alliance, Kai-Uwe Wärner

Beirut – Nach der Explosionskatastrophe in Beirut ist das Entsetzen über die Verwüstun­gen groß, zugleich treffen aus aller Welt Hilfsangebote im Libanon ein. Auf die ausländi­sche Hilfe, die auch aus Deutschland kommt, ist das wirtschaftlich darniederliegende und politisch hochvolatile Land dringend angewiesen.

Zu den ersten Ländern, die ihre Hilfe zusagten, gehörten die Golfstaaten. Katar schickte Feldlazarette mit hunderten Betten zur Versorgung der tausenden Verletzten. Auch Ku­wait lieferte medizinische Nothilfe. Jordaniens König Abdulla II. kündigte an, ein Feldla­zarett zu schicken. Die Vereinigten Arabischen Emirate sandten 30 Tonnen Medikamente und chirurgisches Material.

Frankreich entsandte drei Armeeflugzeuge mit Rettungskräften, tonnenweise medizini­scher Ausrüstung und einer mobilen Krankenstation. An Bord waren zudem 55 Sicher­heits­kräfte, die auf Rettungs- und Räumungsarbeiten spezialisiert sind. Staatschef Emma­nuel Macron wollte heute nach Beirut fliegen, als Zeichen der engen Verbundenheit mit der früheren französischen Kolonie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte die Unterstützung Deutschlands zu. Die Bundesregierung stellte unter anderem eine Million Euro für Soforthilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Beirut zur Verfügung. Die Libanesen „benötigen dringend Hilfe von außen“, sagte DRK-Regionalleiter Ulrich Wagner der ARD, dessen Wohnung ebenfalls durch die Explosion zerstört wurde.

Aus Deutschland ist auch eine 47-köpfige Einsatzeinheit des Technischen Hilfs­werks in Beirut angekommen, um bei der Bergung von Verschütteten zu helfen. An Bord derselben Maschine befanden sich auch sieben Experten der Hilfsorganisation Isar Ger­many. Dabei handelte es sich um Ärzte sowie Fachleute für Gefahrgut, wie ein Sprecher der Organisa­tion sagte. Die Hilfsorganisation Caritas leistete vor Ort in ihren Gesund­heitszentren Not­hilfe. Der Papst betete für die Opfer und ihre Angehörigen.

Heute soll zudem ein medizinisches Erkundungsteam der Bundeswehr in der libanesi­schen Hauptstadt eintreffen. Auch sei die Korvette „Ludwigshafen am Rhein“ von Limasol auf Zypern in Richtung Libanon entsandt worden, teilte das Bundesverteidigungsminis­te­rium heute mit. Die Korvette werde nach etwa sechs Stunden Fahrtzeit in Beirut ein­treff­en, um mit einem Schiffsarzt und weiteren Besatzungsmitgliedern vor Ort zu helfen.

Darüber hinaus sei ein schnell verlegbares Luftrettungszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in Alarmbereitschaft versetzt worden, hieß es weiter. Das hochmobile La­zarett könnte demnach in weniger als 96 Stunden in Beirut eingesetzt werden. Bereits gestern hatte das Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass die Bundeswehr ihre Klinik-Flugzeuge in Bereitschaft versetzt habe. Die MedEvac-Airbusse könnten „sofort aktiviert“ werden, wenn eine entsprechende Anfrage aus dem Libanon eingehe, sagte ein Sprecher.

Heute landete auch eine griechische Militärmaschine mit einem dutzend Rettungskräften an Bord am Flughafen von Beirut. Das nur 240 Kilometer entfernte Zypern, wo die Deto­nationen zu sehen und zu hören gewesen waren, sagte die Entsendung von acht Polizei­spürhunden an Bord von zwei Hubschraubern zu, um bei der Suche nach Vermissten zu helfen.

Weitere europäische Unterstützungsangebote aus den Niederlanden, Tschechien und Po­len umfassten neben Ärzten, Polizisten und Feuerwehrleuten Rettungskräfte und Spür­hun­de. Tunesien bot die Aufnahme und Versorgung von hundert Verletzten an. Ferner wurden zwei Militärflugzeuge mit medizinischem Material und Nahrungsmitteln ge­schickt. Der Iran bot medizinische Hilfe sowie Unterstützung bei der Versorgung von Verletzten an.

Selbst Israel, das sich formal immer noch im Krieg mit dem Nachbarn befindet, bot huma­nitäre Hilfe an: Über die internationalen Vermittler hätten Verteidigungsminister Benny Gantz und Außenminister Gabi Aschkenasi "medizinische und humanitäre sowie sofortige Nothilfe angeboten", hieß es in einer Erklärung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) brachte zur Unterstützung der Verletzten 20 Tonnen Hilfsgüter in den Libanon. Damit könnten Hunderte Menschen mit Brand- und anderen Verletzungen versorgt werden, berichtete die WHO. Das Material stamme aus einem Lager in Dubai.

Drei Krankenhäuser in Beirut seien so zerstört, dass in ihnen nicht mehr gearbeitet wer­den kann, zwei weitere seien bei der Explosion teils beschädigt worden. Verletzte würden auf Krankenhäuser im ganzen Land verteilt. Viele Einrichtungen seien von der Zahl der Patienten überwältigt, so die WHO.

Tests auf SARS-CoV-2 und Behandlungen von betroffenen Patienten sind in mehreren großen Krankenhäusern in Beirut unterdessen eingestellt worden. Einige Einrichtungen, die COVID-19-Patienten behandelten, seien durch die Explosion so schwer beschädigt worden, dass sie die Tests eingestellt hätten, sagte Mahmud Hassun, Arzt im Rafik-Hariri-Krankenhaus in Beirut. Sein Krankenhaus mache aber weiter Tests.

Auch der Leiter des Verbands der Privatkliniken, Sulaiman Harun, bestätigte einen Stop der Tests in einigen Krankenhäusern. „Die Explosion hat die Coronavirustests unterbro­chen, da die meisten Krankenhäuser mit der Katastrophe und der hohen Zahl der Verletz­ten beschäftigt sind“, sagte Harun. Die Versorgung der Verletzten habe aktuell absolute Priorität.

Trotz Stopps vieler Tests gab das Gesundheitsministerium heute bekannt, dass in den vergangenen 48 Stunden 355 neue Fälle registriert worden seien. Erst am 30. Juli hatte der Libanon strengere Auflagen verhängt, weil die offiziellen Zahlen der Neuinfektionen gestiegen waren.

EU sagt Nothilf zu

Die EU hat dem Libanon Nothilfe in Höhe von mehr 33 Millionen Euro zugesagt. Mit dem Geld soll zum Beispiel medizinische Ausrüstung finanziert werden, wie EU-Kommissi­ons­präsidentin Ursula von der Leyen nach einem Gespräch mit dem libanesischen Minister­präsidenten Hassan Diab mitteilte. Weitere Hilfen könnten je nach Einschätzung der hu­manitären Lage vor Ort folgen, hieß es. Von der Leyen bot dem Libanon zudem die Un­terstützung der EU beim Wiederaufbau des zerstörten Teils der Stadt an.

Die Zahl der Toten durch die verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut ist heute auf mindestens 137 gestiegen. Unter den Toten ist nach Angaben von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft. Die Frau sei in ihrer Wohnung ums Leben gekommen. Maas sprach den Angehörigen der Deutschen und den übrigen Botschaftsmitarbeitern sein Beileid aus.

Mindestens 5.000 Menschen seien verletzt worden, sagte ein Sprecher des libanesischen Gesundheitsministeriums. Weiterhin werden demnach Dut­zende Menschen vermisst, die Suche nach Überlebenden dauere an.

Durch die zwei Explosionen war nach Angaben der Behörden halb Beirut zerstört oder beschädigt worden. Bis zu 300.000 Menschen seien obdachlos geworden. Nach Regie­rungsangaben waren 2750 Tonnen ohne geeignete Vorsichtsmaßnahmen gelagertes Ammoniumnitrat explodiert, das vor Jahren beschlagnahmt worden war. Die Substanz kann für Düngemittel oder zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.

afp/dpa/may

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