Wegen Vogelgrippe: Influenza-Impfangebote für Farmarbeiter in USA

New York – Im Zuge des Ausbruchs der hochpathogenen Vogelgrippe H5N1 in US-amerikanischen Geflügel- und Milchviehbeständen sind weitere Fälle bei Menschen nachgewiesen worden. Fachleute dringen auf eine konsequentere Bekämpfung des Erregers, insbesondere vor Beginn der Grippesaison beim Menschen.
Mit Blick auf Herbst und Winter sei die Frage, wie man die saisonalen Influenzaviren H1N1 und H3N2 von den Farmen und den Arbeitern dort fernhalte, sagte Vakzinologie-Professor Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai) vergangene Woche bei einer Schalte von Fachleute des Global Virus Network.
Co-Infektionen von H5N1 und saisonaler Grippe könnten beim Menschen, in Kühen oder anderen Tieren vorkommen. Krammer erinnerte: Typischerweise gehe einer Pandemie eine Reassortierung voraus. Die Befürchtung ist das Entstehen eines neuen Influenza-A-Virus auf diesem Weg, möglicherweise mit Pandemiepotenzial.
„Das ist wirklich meine Sorge, dass das bis zum Herbst nicht unter Kontrolle gebracht wird", sagte Krammer mit Blick auf den Ausbruch. Entweder müsse man H5N1 bis zum Beginn der Grippesaison in den Kuhställen loswerden oder die dortigen Arbeiter gegen saisonale Grippe impfen und diese genau über die Risiken und Warnzeichen aufklären
CDC kündigt Grippe-Impfangebote für Farmarbeiter an
Ein Impf- sowie ein Aufklärungsprogramm für Farmarbeiter mit je einem Volumen von fünf Millionen US-Dollar kündigten Fachleute der US-Behörde Centers for Disease Prevention and Control (CDC) am Freitag bereits an. Genutzt werden sollen herkömmliche saisonale Grippeimpfstoffe. Für einen Einsatz eines neuen H5N1-Impfstoffs sehen die CDC bisher keinen Anlass.
Mit Informationen sollen die Farmarbeiter über Partnerorganisationen wie das National Center for Farmworker Health erreicht werden, wie es hieß. Zudem wurden etwa Angaben über Vogelgrippe auf sozialen Medien verbreitet.
Die CDC argumentieren, dass die Menschen durch die Grippeimpfung vor schweren Verläufen geschützt würden und auch die ländlichen Gesundheitssysteme im Herbst und Winter entlastet werden könnten. Eine geringere Zahl an Patienten mit saisonaler Grippe helfe auch dabei, Betroffene von Vogelgrippe zu identifizieren. Zudem könne die Impfung die Prävalenz und Schwere der Grippewelle reduzieren – und dadurch auch das „sehr seltene Risiko einer Co-Infektion“ mit humanen saisonalen Influenzaviren und Vogelgrippe, so die Behörde.
Nach CDC-Angaben sind in den USA seit April 13 Vogelgrippe-Fälle beim Menschen bestätigt worden, davon vier nach Kontakt zu infizierten Milchkühen und neun nach Kontakt zu betroffenem Geflügel. Die Zahl der bisher nach einer Exposition getesteten Menschen liege bei mehr als 230.
Bei der Tötung einer großen Zahl von H5N1 betroffenen Legehennen im US-Bundesstaat Colorado hatten sich mehrere Arbeiter angesteckt. Die Krankheitsverläufe werden bisher als mild beschrieben, etwa mit Konjunktivitis.
Die Zahl der von H5N1 betroffenen Kuhherden in den USA liegt mittlerweile bei 177. Bisher weist der Erreger (Klade 2.3.4.4b) laut CDC keine Veränderungen auf, durch die er leichter unter Menschen übertragbar werden könnte.
Ein möglicher Grund für das Angebot des bewährten saisonalen Grippeimpfstoffs anstelle des neuen H5N1-Vakzins ist Fachleuten aus dem Expertenpanel zufolge, dass die Arbeiter ohnehin eine schwer zu erreichende, vulnerable Gruppe seien. Manche sprächen weder Englisch noch Spanisch, nicht alle hätten Papiere.
Kritik am Umgang mit dem Ausbruch in den USA
Die Fachleute auf dem Panel äußerten zudem Kritik am Umgang der USA mit dem H5N1-Ausbruch. Es sei auch ein förderales Problem mit verschiedenen involvierten Behörden auf nationalem und staatlichen Level.
Für die niederländische Virologin Marion Koopmans (Erasmus MC) wäre ein konsequentes Eliminieren des Erregers aus den Kuhbeständen – statt Mitigation – geboten. Sich auf die Arbeiter zu fokussieren sei zwar wichtig. Aber sie verglich den Schritt auch damit, den Boden zu wischen, während der Wasserhahn noch läuft. „Das Gefühl der Dringlichkeit ist wirklich niedrig", sagte Koopmans.
„Wir reagieren nicht auf die Art und Weise, in der wir reagieren sollten", sagte auch Lauren Sauer, Direktorin des Special Pathogens Research Network (UNMC College of Public Health). Aus ihrer Sicht bräuchte es mehr Druck auf die Rinder- und Milchwirtschaft.
Ihr Eindruck sei, dass die Lage sich für Milchviehbetriebe anders gestalte als etwa für Geflügelhaltungen: Die Kühe würden wieder gesund, die Milchproduktion steige nach Abklingen der Infektion wieder an und es müssten nicht komplette Bestände gekeult werden. Auf diese Weise fehlten allerdings Anreize, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Präsidentschaftswahlkampf als Faktor
Einen Konsens darüber, das Virus aus den Rindern eliminieren zu wollen, scheine es nicht zu geben, sagte Sauer. Das bisherige Zögern im Umgang mit dem Ausbruch ist für sie auch durch die US-Wahlen in wenigen Monaten zu erklären.
Experte Krammer nannte noch die Impfung von Kühen als aussichtsreiche Option, um die Übertragung stark zu reduzieren. In Kombination mit anderen Maßnahmen könnte dies helfen, um den Ausbruch zu stoppen. Es brauche dazu Experimente.
Mehrere deutsche Fachleute äußerten diese Idee bereits. Als Gegenargument wird immer wieder angeführt, dass solche Impfungen in den USA wohl nicht ausreichend genutzt werden würden, weil es Handelsbeschränkungen für Produkte geimpfter Tiere gebe.
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