Patientenaufklärung: Wie Risiken besser kommuniziert werden können

München – Patienten können die Bedeutung von ärztlichen Befunden besser und schneller einschätzen, wenn die Ärzte eine diagnostische Informationsvermittlung verwenden statt des häufig gewählten Bayesianischen Ansatzes. Dies zeigt eine Studie, die Medizindidaktiker in PLoS ONE (2023; DOI: 10.1371/journal.pone.0283947) veröffentlicht haben.
Nicht nur Patienten, auch viele Ärzte stehen mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Kriegsfuß. Dabei kommt es im klinischen Alltag häufig vor, dass ein Test kein sicheres Ergebnis, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit liefert.
Karin Binder vom Mathematischen Institut der LMU München verdeutlicht dies an einem Beispiel. Ein Patient erfährt, dass bei einer Sonografie der Schilddrüse ein verdächtiger Knoten gefunden wurde. Dass sich dahinter ein Krebs verbirgt, ist nicht sicher.
Studien haben gezeigt, dass von 1.000 Patienten 50 Krebs haben. Von diesen 50 haben 20 einen positiven Knoten (Bei den anderen 30 wurde der Krebs in der Sonografie übersehen). Ein positives Testergebnis haben allerdings auch 110 der 950 Patienten ohne Krebs.
Die Krebswahrscheinlichkeit für den Patienten beträgt 20 zu 130. Denn es gibt ja insgesamt 20+110=130 positive Tests. Diese Zahl 130 wird dem Patienten bei der Bayesianischen Informationsvermittlung jedoch nicht genannt. Er muss, so Binder, ein wenig um die Ecke denken.
Dies gelang in dem Experiment nur 10 % der 109 Teilnehmer (wobei in der Studie noch 3 weitere Szenarien aus dem Bereich der Endokrinologie thematisiert wurden). Die Probanden sahen zunächst ein Video, in dem der Arzt ihnen die Informationen nach den Bayesianischen Ansatz erläuterte (ohne die 130 zu nennen). Wenn sie zusätzlich eine grafische Information mit einem Entscheidungsbaum erhielten, kamen immerhin 37 % auf das Ergebnis, dass sie für ihre individuelle Risikoberechnung 20 und 110 addieren mussten.
Einfacher fällt dies den Patienten, wenn der Arzt eine „diagnostische“ Informationsvermittlung verwendet. Dabei erklärt er, dass von 1.000 Patienten 130 einen verdächtigen Befund in der Sonografie haben, von denen aber nur 20 Krebs haben. Was das für sie bedeuten würde, verstanden in der Studie 57 % der Teilnehmer auf Anhieb. Die zusätzliche Visualisierung mit einem Entscheidungsbaum, verwirrte einige.
Auf dem Diagramm wurde angezeigt, dass von den 870 Personen ohne sichtbaren Knoten in der Schilddrüse 30 trotzdem an Krebs erkrankt waren. Diese Information ist für den Patient nutzlos. Der Anteil der korrekten Antworten fiel auf 61 %.
Hinzu kam, dass die diagnostische Informationsvermittlung schneller war. Die Probanden benötigten im Durchschnitt 14,5 Sekunden, um zu einer richtigen Antwort zu kommen (14,0 Sekunden wenn ihnen auch der Entscheidungsbaum vorgelegt wurde).
Bei der Bayesianischen Informationsvermittlung vergingen im Durchschnitt 106 Sekunden bis zur richtigen Einschätzung. Probanden, die schneller antworteten, hatten zumeist den Zusammenhang nicht richtig verstanden. Für eine falsche Antwort benötigten sie nur 22,5 Sekunden.
Für die Didaktikerin Binder bedeutet dies, dass beide, Patient und Arzt, von der diagnostischen Informationsvermittlung profitieren. Dem ersten fällt es leichter, die Information zu verstehen, der zweite spart Zeit – auch weil er keine Missverständnisse ausräumen muss.
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