Wie Mediziner richtig mit Medienanfragen umgehen

Berlin – „Ich habe Besseres zu tun.“ Mit diesem Satz läutete Deutschlands mittlerweile bekanntester Virologe Christian Drosten gestern eine neue Runde in der medialen Auseinandersetzung mit der Bild-Zeitung ein. Ein Redakteur des Boulevardmediums hatte dem Mediziner eine Anfrage per E-Mail geschickt, die dieser kurzerhand auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte.
Innerhalb einer Stunde solle Drosten Stellung zu einigen Sätzen nehmen, die der Bild-Redakteur offenbar aus den Arbeiten anderer Wissenschaftler kopiert hatte, die sich mit Drostens Vorpublikation zu Viruslasten bei Kindern auseinandersetzten. Der Bild-Artikel ging kurz darauf online – ohne ein Statement des Virologen.
In den sozialen Medien löste Drostens Reaktion eine Nachrichtenflut aus. Der Tenor: Das Vorgehen der Bild sei nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht, sondern auch journalistisch äußerst kritisch. Der Virologe habe richtig gehandelt. Einige Nutzer schlugen sich jedoch auf die Seite von Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, der mit dem Vorwurf in die Debatte einstieg, Drosten hätte sich mehr Zeit erbitten können, statt den Redakteur an den digitalen Pranger zu stellen.
Wie können sich Mediziner in solchen Situationen richtig verhalten? „Gerade in einer angespannten Situation ist es wichtig, dass man für die Kommunikation Sparingspartner hat. Also Personen, mit denen man sich vorher austauscht, ehe man direkt und vielleicht vorschnell reagiert“, sagte Beatrice Lugger, Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (nawik). Sie könne nur vermuten, dass Christian Drosten längst über ein Netz solcher Partner verfüge.
Dennoch sei ihm in dieser ersten Reaktion der Fehler unterlaufen, dass er zunächst einen Screenshot mitsamt der persönlichen Daten des Redakteurs auf Twitter veröffentlichte. „Das hat er dann schnell zu korrigieren versucht, indem er den alten Tweet löschte und nur noch den Auszug gepostet hat. Aber es ist ein Trugschluss zu denken, man könne Tweets, die einmal rausgegangen sind, so leicht wieder einfangen“, warnt Lugger.
Drostens Schritt zu Twitter sei an sich aber nicht unangemessen gewesen, meint Markus Weißkopf, Geschäftsführer der Wissenschaft im Dialog gGmbH, die sich für die Diskussion und den Austausch über Forschung in Deutschland engagiert. „Eine andere Reaktion wäre natürlich immer möglich, aber vermutlich wollte Christian Drosten mit der Veröffentlichung der E-Mail-Anfrage ein Statement setzen − das ist ihm gelungen. Er hat klargemacht, dass er die Vorwürfe, zu denen er Stellung beziehen sollte, für eine Kampagne hält.“
Tatsächlich ist nicht nur die Form der Anfrage, sondern auch der Inhalt des Bild-Artikels, der nach Drostens öffentlicher Absage erschien, stark umstritten. Die Studie sei „grob falsch“, mehrere Forscher würden Drosten vorwerfen, „unsauber gearbeitet“ zu haben, heißt es dort. Dass es sich nur um eine Vorpublikation handele und auch worin die Kritik der Kollegen genau bestehe, sei nicht erwähnt worden, erklärte Drosten einen Tag nach der Veröffentlichung im Podcast des NDR zum Coronavirus. Dies sei vollkommen irreführend.
Doch nicht immer ist bereits aus der Anfrage zu erkennen, in welche Richtung sich ein Pressegespräch entwickelt. „Wenn Mediziner während eines Interviews feststellen, dass ihr Gesprächspartner bereits eine vorgefasste Meinung hat, muss immer wieder klargemacht werden, was die eigene Position ist und auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien sie beruht“, rät Weißkopf.
„Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben ja keine Meinungen weiter, sondern den aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaft.“ Generell gelte es, keine zu pauschalen Einschätzungen abzugeben und klar zu machen, was mögliche Unsicherheiten seien. „Ich empfehle außerdem, zu klären, ob man die eigenen Zitate im jeweiligen Kontext des journalistischen Beitrags vorab noch einmal zur Freigabe bekommt“, sagte Lugger.
Doch selten polarisieren zwei Parteien so sehr und nicht immer ist das Verhältnis von Wissenschaft und Journalismus so aufgeheizt wie das von Drosten und der Bild-Zeitung. Im Gegenteil: „Jeder, der kommuniziert, profitiert selbst auch davon, das berichten uns Wissenschaftler immer wieder“, so Weißkopf. „Es gibt natürlich keine Verpflichtung. Es ist selbstverständlich, dass man Anfragen ablehnen kann. Auch ohne Begründung“, sagte Lugger. Grundsätzlich sei es aber wichtig, dass Forscher und Mediziner mit ihrer Kompetenz für Presseanfragen ansprechbar seien.
Wem es dabei schwer fällt, komplexe Zusammenhänge so zu vermitteln, dass sie allgemein verständlich sind, hat verschiedene Möglichkeiten, sich darauf einzustellen. „Mediziner können etwa ihre Forschung immer mal wieder Kindern erklären. Eine alte Regel ist auch das Nutzen von sprachlichen Bildern − ähnlich, wie im Journalismus“, sagte Weißkopf. Je nach eigener Erfahrung im Umgang mit Medien solle gegebenenfalls die Pressestelle eingebunden werden.
„Wir plädieren zwar sehr dafür, dass Mediziner wie Wissenschaftler selbst kommunizieren. Wer sich unsicher fühlt, sollte aber jederzeit Beratung in der Pressestelle erbitten und rechtzeitig Medientrainings in Anspruch nehmen − bevor es brennt“, meint Weißkopf. Auch Lugger rät, rechtzeitig den Rat einer Kommunikationsabteilung einzuholen. Diese könne dabei helfen, die zentrale Botschaft soweit zu vereinfachen, dass sie aus wissenschaftlicher Sicht noch korrekt ist und zugleich gut verständlich.
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