COVID-19 erhöht Biomarker für Morbus Alzheimer im Blut

London – COVID-19 kann möglicherweise die Ablagerung von Beta-Amyloiden und Tau-Fibrillen im Gehirn fördern, die Kennzeichen des Morbus Alzheimer sind. Betroffen wären nach den Ergebnissen einer Studie in Nature Medicine (2025; DOI: 10.1038/s41591-024-03426-4) vor allem Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden oder aus anderen Gründen eine erhöhte Vulnerabilität haben.
Hirnforscher vermuten seit einiger Zeit, dass Virusinfektionen die Anfälligkeit für Demenzen erhöhen. Das Risiko war in epidemiologischen Studien nicht nur nach schweren Infektionen der Hirnhäute oder des Gehirns erhöht. Auch für Grippe- und einige andere Viren, die normalerweise nicht das Gehirn infizieren, wurde eine Assoziation mit späteren Demenzerkrankungen gefunden.
Ein Team um Paul Matthews vom UK Dementia Research Institute in London hat den Zusammenhang jetzt für COVID-19 untersucht. Die Forscher verglichen dazu Blutproben von 626 Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, mit Blutproben von 626 Personen, die sich nicht erkennbar mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.
Alle Personen hatten zwischen 2005 und 2010 an der UK Biobank-Studie teilgenommen, so dass Blutproben aus der Zeit vor der Pandemie vorlagen. Außerdem waren bei den Teilnehmenden vor und nach der Erkrankung Magnetresonanztomografien (MRT) des Gehirns angefertigt worden.
In den Blutproben wurden einige Biomarker bestimmt, die derzeit als Screeninginstrument zur Früherkennung des Morbus Alzheimer in der Diskussion sind. Der wichtigste Parameter ist ein Abfall des Quotienten aus Abeta42 und Abeta40. Dieser ließ sich jetzt auch bei den Personen nachweisen, die bereits an COVID-19 erkrankt waren.
Bei älteren Menschen und solchen mit einer erhöhten Vulnerabilität fiel auch die Abeta42-Konzentration insgesamt ab und die pTau-181-Konzentration nahm zu. pTau-181 zeigt die vermehrte Ablagerung von Tau-Fibrillen an, zu der es nach dem Untergang von Nervenzellen im Gehirn kommt. Abeta42 und Abeta40 sind Marker für Beta-Amyloide, die außerhalb der Nervenzellen abgelagert werden, was keinen Zelltod voraussetzt.
Der Abfall des Abeta42/Abeta40-Quotienten entsprach laut Matthews einem Anstieg des Alters um 4 Jahre. Der Zunahme des Risikos war halb so hoch wie bei einer Heterozygotie auf APOE-e4, dem wichtigsten genetischen Risikofaktor für einen Morbus Alzheimer.
Besonders deutlich war die Assoziation mit den Biomarkern bei Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, oder bei solchen, die eine Hypertonie in der Vorgeschichte hatten. Die Hypertonie gehört zu den bekannten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19.
Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Biomarker hingen auch von den Veränderungen ab, die in der ersten MRT gefunden wurden. Damals war kein Patient erkennbar am Morbus Alzheimer (AD) erkrankt. Die Forschenden hatten jedoch erste Veränderungen entdeckt. Bei den Patienten mit einer solchen „AD-Signatur“ kam es nach COVID-19 zu der stärksten Veränderung der Biomarker.
Dies bestätigt den Eindruck von Matthews, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 zwar keinen Morbus Alzheimer auslöst, den jahrzehntelangen Verlauf der Erkrankung jedoch beschleunigen könnte. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich erst in künftigen epidemiologischen Studien zeigen.
Bislang gibt es hierfür keine sicheren Hinweise. Zwar war die Infektion mit SARS-CoV-2 mit einem Rückgang der kognitiven Fähigkeiten verbunden, der etwa einem zusätzlichen Alter von 2 Jahren entsprach. Die kognitiven Einbußen korrelierten allerdings nicht mit dem Abfall des Abeta42/Abeta40-Quotienten. Nur bei den Patienten mit erhöhter Vulnerabilität waren laut Matthews erste Auswirkungen auf Abeta42 und pTau erkennbar.
Matthews betont jedoch – wie auch eine von Science Media Center befragte Expertin – dass die Studie eine Kausalität nicht beweisen kann. Einen möglichen Mechanismus sieht Matthews in einer Entzündungsreaktion des Gehirns, die den Abbau von Beta-Amyloiden durch die Mikroglia behindern könnte.
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