COVID-19 geht häufiger mit schweren Schlaganfällen einher
Danville/Pennsylvania – Schlaganfälle sind eine seltene Komplikation von COVID-19, die laut einer internationalen Studie in Stroke (2021; DOI: 10.1161/STROKEAHA.120.032927) jedoch häufig bei jüngeren Patienten auftritt und zu einer schweren Schädigung des Gehirns führt.
Erste Berichte einer Klinik aus China, wo bei etwa 5 % aller hospitalisierten COVID-19-Patienten ein Schlaganfall diagnostiziert wurde, haben die Neurologen alarmiert. Ein Team um Ramin Zand vom Geisinger Neuroscience Institute in Danville/Pennsylvania initiierte die „Multinational COVID-19 Stroke Study“, die seither Daten zu neurologischen Komplikationen gesammelt hat.
Die im August letzten Jahres in EBioMedicine (2021; DOI: 10.1016/j.ebiom.2020.102939) veröffentlichten Ergebnisse deuteten zunächst auf eine Entwarnung hin.
Von den damals in 99 Schwerpunktkliniken in 11 Ländern behandelten 17.799 Patienten hatten „nur“ 156 (0,9 %) einen Schlaganfall erlitten. Darunter waren 123 (79 %) ischämische Schlaganfälle, 27 (17 %) intrazerebrale oder Subarachnoidalblutungen und 6 (4 %) Sinusthrombosen. Die Häufigkeit war demnach nicht wesentlich höher als bei anderen Viruserkrankungen wie der Grippe bei schweren Verläufen, die eine Hospitalisierung erforderlich machen. Die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung und die häufigen koronaren Begleiterkrankungen der Patienten lieferten zudem eine plausible Erklärung für viele Erkrankungen.
Eine genaue Analyse von mittlerweile 432 Schlaganfällen zeigt jedoch, dass es Unterschiede zu Schlaganfällen mit anderem Hintergrund gibt. Von den 283 ischämischen Schlaganfällen wurden 124 (44,5 %) durch eine Verlegung der großen Hirnarterien verursacht. Normalerweise beträgt der Anteil dieser „Large vessel occlusions“ (LVO) nur 24 % bis 38 % der ischämischen Schlaganfälle.
LVO hinterlassen in der Regel große Schäden im Gehirn, wenn sie überhaupt überlebt werden. LVO sind allerdings häufiger einer mechanischen Thrombektomie zugänglich. Bei dieser Behandlung werden die Thromben über einen Katheter aus den Hirnarterien entfernt. Wenn die Behandlung rechtzeitig erfolgt, können schwere Behinderungen vermieden werden.
Eine weitere Besonderheit von SARS-CoV-2 scheint ein höherer Anteil von jüngeren Patienten zu sein. Die meisten Schlaganfälle treten normalerweise jenseits des 65. Lebensjahres auf. In der Kohorte der hospitalisierten COVID-19-Patienten waren 46 % unter 65 Jahre und 36 % sogar unter 55 Jahren. In diesem Alter sind ischämische Schlaganfälle selten.
Eine häufigere Ursache bei jüngeren Patienten sind rupturierte Hirnaneurysmen, die eine Subarachnoidalblutung auslösen. Bei 69,5 % der COVID-19-Patienten mit Subarachnoidalblutung wurden jedoch keine Hirnaneurysmen gefunden, so dass die Blutungen andere Ursachen haben müssen. Welche, ist derzeit unklar.
Bei insgesamt 18 Patienten wurde der Schlaganfall durch eine zerebrale Venen- und Sinusthrombose (CVST) ausgelöst. Eine CVST kann in seltenen Fällen auch als Komplikation nach einer Impfung mit vektorbasierten Impfstoffen von Astrazeneca oder Johnson & Johnson auftreten.
Ähnlich wie bei den Impfkomplikationen wurde die CVST vor allem bei jüngeren und weiblichen Patienten beobachtet. Das Durchschnittsalter betrug 51 Jahre. 1/4 war unter 40 Jahre. Der Frauenanteil betrug 61 %.
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