Medizin

COVID-19: Krebsimmuntherapie führt zu milderen Verläufen

  • Dienstag, 22. Februar 2022
Checkpoint-Inhibitoren, bei denen es sich derzeit noch ausschließlich um monoklonale Antikörper handelt, schalten immunsupprimierende Signale der Tumoren ab. /Mirror-images, stock.adobe.com
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Birmingham/England – Krebspatienten haben ein erhöhtes Risiko, im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 an COVID-19 zu sterben. Die Gefahr geht nach einer Studie in JAMA Network Open (2022; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.0130) jedoch nicht von der Behandlung aus.

Nach einer Operation, Radio- oder Chemotherapie scheinen viele Patienten COVID-19 leichter zu über­stehen. Patienten, die mit Checkpointinhibitoren behandelt wurden, hatten sogar ein deutlich vermin­dertes Risiko auf eine tödliche Erkrankung.

Eine Krebserkrankung zählt zu den Hochrisikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Von den 2.515 Krebspatienten mit COVID-19, deren Daten das „UK Coronavirus Cancer Monitoring Project“ gesammelt hat, starb jeder 3. (38 %) an den Folgen der Infektion, wobei der Tod im Durchschnitt nach 7 Tagen relativ früh eintrat.

Es liegt nahe, die Strapazen der Therapie für die hohe Sterblichkeit mit verantwortlich zu machen, da Operation und Radiotherapie die Patienten schwächen. Eine Chemotherapie kann durch die Zerstörung von Abwehrzellen (Leukopenie, Neutropenie) sogar die Abwehr des Immunsystems untergraben. Am stärksten gefährdet wären sicherlich Leukämiepatienten, bei denen die Krebszellen die gesunden Zellen des Immunsystems verdrängen.

Tatsächlich war ein Team um Gary Middleton von der Universität Birmingham in England zu Beginn der Pandemie zu dem Ergebnis gekommen, dass Leukämiepatienten ein doppelt so hohes Sterberisiko haben wie andere Krebspatienten, wofür sie in Lancet Oncology (2020; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30442-3) die Chemotherapie mit verantwortlich machten. Inzwischen haben die Onkologen ihre Ansicht revidiert.

Das erhöhte Sterberisiko von Krebspatienten im Fall von COVID-19 steht weiterhin außer Zweifel. Patien­ten mit akuter Leukämie oder myelodysplastischem Syndrom starben mehr als doppelt so häufig an COVID-19 wie Patienten mit Krebserkrankungen des Verdauungstraktes (Odds Ratio OR 2,16; 95-%-Konfidenzintervall 1,30 bis 3,60). Auch Patienten mit Myelom oder Plasmozytom (OR 1,53; 1,04-2,26) und Lungenkrebspatienten (OR 1,58; 1,11-2,25) sind stärker gefährdet.

Dieses Risiko auf die Chemotherapie zurückzuführen, wäre nach den von Middleton jetzt vorgestellten Zahlen jedoch nicht richtig. Patienten, die eine Chemotherapie (OR 0,70; 0,52-0,94), Radiotherapie (OR 0,74; 0,53-1,03) oder Hormontherapie (OR 0,66; 0,48-0,91) erhalten hatten, sind seltener an COVID-19 gestorben als unbehandelte Patienten. Das gilt auch für die Operation (OR 0,47; 0,28-0,78), die mit dem Tumor eine Ursache für ein erhöhtes COVID-19-Sterberisiko beseitigen kann.

Besonders günstig wirkte sich eine Behandlung mit Immunchemotherapie aus (OR 0,52; 0,31-0,86). Ob die Checkpointinhibitoren auch die Immunabwehr gegen das Coronavirus verstärken können, müsste jedoch noch untersucht werden. Es ist auch möglich, dass allein die Erholung von der Krebserkrankung, die durch die Behandlung erzielt wurde, die Patienten vor einem Tod an COVID-19 schützt (wenn auch nur im begrenzten Maße, wie die hohe Sterblichkeit in der Gesamtgruppe zeigt).

Eine Ausnahme bilden offenbar die immunmodulatorischen Medikamente, die beispielsweise zur Be­hand­lung des Plasmozytoms eingesetzt werden. Diese Behandlung war mit einem signifikant erhöhten Sterberisiko verbunden (OR 1,75; 1,00-3,07). Auch Patienten, die eine palliative Radiotherapie erhielten, starben häufiger an COVID-19 (OR 1,70; 1,06-2,74), wobei dies auch an der körperlichen Schwäche am Ende einer unheilbaren Krebserkrankung gelegen haben könnte.

rme

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