COVID-19: Serumtherapie erzielt in Studie begrenzte Wirkung

New York − Eine Serumtherapie, die die Immunität von rekonvaleszenten Personen auf akut Erkrankte übertragen soll, hat in der bisher größten Behandlungsserie die Überlebenschancen von COVID-19-Patienten verbessert. Laut den in medRxiv (2020; DOI: 10.1101/2020.05.20.20102236) vorgestellten Ergebnissen scheint die Behandlung aber nur Patienten zu nutzen, die nicht mechanisch beatmet werden.
Mangels effektiver Medikamente gegen SARS-CoV-2 haben sich viele Behandlungszentren auf die vor einem Jahrhundert von Emil von Behring entwickelte Serumtherapie besonnen. Dabei wird akut erkrankten Patienten das Blutplasma von Personen übertragen, die die Krankheit überstanden haben.
Die Behandlung war in den letzten Jahren vereinzelt bei Infektionen mit dem Influenzavirus A/H1N1, dem Ebola-Virus und dem ersten SARS-CoV durchgeführt worden. Wegen der umständlichen Durchführung, aber auch möglicher Risiken, die sich aus immunologischen Reaktionen auf das Fremdserum ergeben können, ist es eine Behandlung für Ausnahmesituationen geblieben.
Eine solche Ausnahmesituation stellen derzeit Infektionen mit SARS-CoV-2 dar. Die Serumtherapie wird derzeit weltweit an verschiedenen Kliniken an Patienten mit COVID-19 erprobt. Am Mount Sinai Hospital in Manhattan wurden in den letzten Wochen insgesamt 39 Patienten behandelt.
Laut Nicole Bouvier von der Icahn School of Medicine, New York, die jetzt die Ergebnisse vorstellt, handelt es sich um die bisher weltweit größte Behandlungsserie. Die US-Mediziner konnten angesichts der hohen Erkrankungszahlen auf Spender zurückgreifen, bei denen mit einem eigens entwickelten Test (ELISA) ein höherer Antikörper-Titer (>1:320) gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 nachgewiesen worden war.
Die Patienten wurden nicht im Rahmen einer klinischen Studie behandelt, weshalb sich die Wirksamkeit nur eingeschränkt beurteilen lässt. Bouvier hat jedoch in einer Propensity-Analyse jedem Serumtherapie-Patienten 4 Patienten mit den gleichen Eigenschaften gegenüber gestellt.
Ergebnis: Die Patienten, die eine Serumtherapie erhielten, erholten sich häufiger. Nur bei 7 Patienten (18 %) kam es bis zum Tag 14 zu einer Verschlechterung. In der Kontrollgruppe verschlechterte sich der klinische Zustand bei 24,3 % der Patienten. In der Plasmatherapie-Gruppe kam es auch seltener zu einem Rückgang der Sauerstoffsättigung. Der Unterschied war hier allerdings nicht statistisch signifikant.
Insgesamt 5 der 39 Patienten (12,8 %) sind trotz der Serumtherapie an COVID-19 verstorben. In der Kontrollgruppe betrug die Sterblichkeit 24,4 %. 28 Patienten (71,8 %) konnten nach der Serumtherapie lebend aus der Klinik entlassen werden gegenüber 66,7 % in der Kontrollgruppe.
Die größten Vorteile hatten die Patienten, die nicht intubiert waren, sprich nicht mechanisch beatmet werden mussten. Bouvier ermittelt eine Hazard Ratio für einen tödlichen Ausgang von 0,19 (95-%-Konfidenzintervall 0,05 bis 0,72), also ein gegenüber der Kontrollgruppe um 81 % vermindertes Sterberisiko.
Bei den intubierten Patienten war das Sterberisiko dagegen tendenziell höher (Hazard Ratio 1,24; 0,33 bis 4,67). Die Plasmatherapie, deren Wirkung sich laut Bouvier erst mehr als eine Woche nach der Behandlung zeigt, könnte bei diesen Patienten zu spät kommen. Dies ist angesichts des weiten 95-%-Konfidenzintervalls derzeit noch eine Spekulation. Es bleibt abzuwarten, was die laufenden randomisierten Studien zu dieser Frage ergeben werden.
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