Gelbfieber: Forscher entwickeln und testen ersten effektiven Wirkstoff in nur 6 Monaten

Cambridge/Massachusetts – Forscher haben einen Antikörper gegen das Gelbfiebervirus entwickelt und in einer Rekordzeit von nur 6 Monaten in 2 Phase-1-Studien getestet, wo das Mittel laut den jetzt im New England Journal of Medicine (2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2000226) publizierten Ergebnissen gesunde Probanden eine Infektion mit einem Lebendimpfstoff im Keim erstickt hat.
Das Gelbfiebervirus ist in den tropischen Regenwäldern Afrikas und Südamerikas verbreitet. Es wird von Mücken übertragen, die normalerweise nur Affen stechen, die nicht erkranken. Nur hin und wieder wird das Virus auf den Menschen übertragen. Beim Menschen kommt es in einer ersten Phase zu einer hoch-fiebrigen Erkrankung.
Schon nach 3 bis 4 Tagen zeichnet sich eine Erholung ab, doch bei etwa 15 % der Patienten kommt es in einer zweiten Phase zu einem hämorrhagischen Fieber, das bei jedem zweiten Patienten tödlich verläuft. Die Gesamtletalität liegt bei 10 bis 20 %. Das Gelbfiebervirus ist damit einer der gefährlichsten Krankheitserreger.
Normalerweise bleibt es bei vereinzelten Erkrankungen in unmittelbarer Nähe des Regenwaldes. Dies kann sich schlagartig ändern, wenn ein infizierter Patient in eine dichter besiedelte Region reist und dort von Aedes aegypti gestochen wird. Diese Mücke ist in tropischen Regionen in den Städten weit verbreitet.
Fasst das Virus in diesem Reservoir Fuß, kann sich das Gelbfieber explosionsartig ausbreiten. Im Jahr 2016 kam es in Angola zu einer schweren Epidemie, die nur mit Mühe durch Massenimpfungen gestoppt werden konnte.
Durch den internationalen Tourismus und die starke Verbreitung von Aedes aegypti bis in gemäßigte Zonen hinein könnte es jedoch zu einem Export in andere Länder kommen. Für Infektiologen ist dies ein Horrorszenario, vor dem Anthony Fauci vom US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases im Frühjahr 2017 in einem Beitrag im New England Journal of Medicine (2017; DOI: 10.1056/NEJMp1702172) warnte.
Damals zeichnete sich eine Epidemie in Brasilien ab, die ebenfalls nur mit Not unter Kontrolle gebracht werden konnte. Die Gefahr von schweren Gelbfieber-Epidemien ermutigte ein Team um Ram Sasisekharan vom Massachusetts Institute of Technology in Boston, ein Medikament gegen das Gelbfieber zu entwickeln. Bisher konnten die Patienten wie bei Ebola nur symptomatisch behandelt werden. Für das Ebolafieber gibt es inzwischen einen „Cocktail“ aus 3 Antikörpern, der in einer Studie eine gute Wirksamkeit erzielte.
Einen ähnlichen Antikörper haben die Forscher gegen das Gelbfiebervirus entwickelt. Sie konnten dabei auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, die sie bei der Entwicklung eines Antikörperpräparats gegen das Zikavirus gemacht hatten. In nur 9 Monaten hatten die Forscher einen Antikörper gegen das Zikavirus gefunden und erfolgreich in einer Phase-1-Studie getestet. Als die Studie im März 2018 abgeschlossen war, wurde das Präparat nicht mehr benötigt, da die Zikaepidemie vermutlich infolge einer Herdenimmunität ausgelaufen war.
Die Forscher wandten sich damals dem Gelbfiebervirus zu. Mit der gleichen Methode wie beim Zikavirus wurde nach einem Antikörper gesucht, der das Virus neutralisiert. Nachdem sich der Antikörper im Tierversuch als sicher erwiesen hatte, wurden erste klinische Studien begonnen. In einer Phase-1a-Studie wurden Daten zur Sicherheit, zum Nebenwirkungsprofil und zur Pharmakokinetik des IgG1-Antikörpers TY014 ermittelt. Als bei den ersten Patienten keine Sicherheitsprobleme auftraten, begannen die Forscher parallel mit einer Phase-1b-Studie.
In der Phase-1b-Studie wurde TY014 mit Placebo an Patienten untersucht, die 24 Stunden zuvor gegen Gelbfieber geimpft worden waren. Es handelt sich dabei um einen Lebendimpfstoff, der sich im Körper vermehrt, dabei aber nur eine milde Erkrankung auslöst, die den Impflingen nicht gefährlich wird.
Endpunkt der Phase-1b-Studie war die Fähigkeit von TY014, die Impfstoff-Virämie zu verhindern. Dies gelang nach den jetzt von Sasisekharan vorgestellten Daten recht gut. Bei keinem der 5 mit TY014 behandelten Patienten waren bei der ersten Untersuchung nach 48 Stunden Impfstoffviren im Blut nachweisbar gegenüber 2 von 5 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe.
Nach 5 Tagen wurde bei allen Teilnehmern der Placebogruppe Messenger-RNA des Impfvirus nachweisbar, was auf eine aktive Replikation hinweist. Bei allen 5 Teilnehmern, die mit TY014 behandelt wurden, fiel dieser Test negativ aus. Die 5 Teilnehmer der Placebogruppe berichteten über 14 Symptome einer ungefährlichen Gelbfiebervariante. Alle Teilnehmer, die TY014 erhalten hatten, blieben gesund.
Alle 5 Teilnehmer der Placebogruppe entwickelten neutralisierende Antikörper gegen das Gelbfiebervirus, was zeigt, dass die Impfung bei ihnen eine Schutzwirkung erzielt hat. Die Behandlung mit TY014 verhinderte dies bei 4 von 5 Patienten. Nur bei einem kam es zu einem leichten Anstieg des Antikörpertiters. Auch eine Expressionsanalyse von 594 Genen des Immunsystems ergab, dass es nur in der Placebogruppe zu einer vermehrten Aktivität von 24 Genen kam, nicht aber nach der Behandlung mit TY014.
Das Antikörper-Präparat soll jetzt in einer Phase-2-Studie weiter untersucht werden. Nach derem erfolgreichen Abschluss könnte die Firma, die Sasisekharan zusammen mit Kollegen gegründet hat, eine Zulassung beantragen. Ob der Wirkstoff jemals benötigt würde, lässt sich nicht vorhersagen. Sasisekharan argumentiert, dass der Lebendimpfstoff bei Schwangeren, Kindern, älteren Menschen und Patienten mit einer Immunschwäche nicht eingesetzt werden kann.
Ein Impfstoff kann bei einem Ausbruch nur vor weiteren Erkrankungen schützten. Bei einem bereits eingetretenem Fieber käme er zu spät. Ob TY014 in dieser Situation wirksam wäre, müsste allerdings noch untersucht werden.
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