Gepante: Neue Wirkstoffklasse zur Migräneprophylaxe verfügbar

Berlin – Zur Behandlung von Migränepatienten steht eine neue Wirkstoffklasse an Prophylaxemedikamenten zur Verfügung. Mit dem Präparat Aquipta (Atogepant) bringt US-Hersteller Abbvie am 1. März erstmals ein Mittel aus der Substanzklasse der Gepante auf den Markt.
Gepante blockieren reversibel den Rezeptor des Neuropeptids Calcitonin gene-related peptide (CGRP), das maßgeblich an der Entstehung eines Migräneanfalls beteiligt ist. Der Begriff Gepant ist eine Kurzform von Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Rezeptorantagonist. In der Europäischen Union (EU) ist neben Aquipta noch das Gepant Vydura (Rimegepant) von Pfizer zugelassen, bislang aber in Deutschland nicht verfügbar.
Aquipta ist zugelassen zur Migräneprophylaxe bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit 4 oder mehr Migränetagen pro Monat. Es kann laut Hersteller sowohl bei episodischer als auch bei chronischer Migräne verschrieben werden. Betroffene nehmen das Präparat einmal täglich als Tablette ein.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) verweist vornehmlich auf 2 größere Studien, denenzufolge Aquipta die Anzahl der Tage, an denen Patienten unter Migräne leiden, reduziert. So habe in einer Studie mit 882 Betroffenen (mindestens 4 Migräneanfälle pro Monat) eine 12-wöchige Behandlung mit Aquipta die Zahl der Migränetage pro Monat von durchschnittlich 8 auf 3 bis 4 gesenkt. In der Placebogruppe verringerte sich die Zahl der Migränetage immerhin noch auf 5. Die meisten Nebenwirkungen seien leicht oder mäßig ausgeprägt, so die EMA.
Schon seit einigen Jahren sind verschiedene Antikörper auf dem Markt, die sich gegen CGRP oder CGRP-Rezeptoren richten und Migräneattacken vorbeugen sollen. Sie müssen monatlich oder alle 3 Monate subkutan oder intravenös appliziert werden.
Die Reduktion der Migränetage durch Aquipta habe sich in den Studien zur episodischen und chronischen Migräne ähnlich wie bei den CGRP/CGRP-Rezeptor-Antikörpern bereits nach 4 Wochen gezeigt, sagte Christian Geber, Mitglied des Präsidiums der Deutschen Schmerzgesellschaft, auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes. Die Wirkung sei somit im Vergleich zu unspezifischen Migräneprophylaktika schneller eingetreten. Aquipta sei dabei auch bei Versagen von bis zu 4 Vortherapien wirksam gewesen.
Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) erwartet im Vergleich zu klassischen unspezifischen Migräneprophylaxen wie Amitriptylin, Betablockern, Flunarizin oder Topiramat bei Aquipta eine bessere Verträglichkeit und damit bessere Therapieadhärenz.
Die DMKG setzt aus wirtschaftlichen Gründen für eine Verordnung von Aquipta Therapieversagen oder Kontraindikationen für klassische unspezifische Migräneprophylaxen voraus.
Ein Wechsel von anderen Prophylaxepräparaten zu Aquipta sei dann sinnvoll, „wenn keine zufriedenstellende Reduktion der monatlichen Migränetage durch eine Migräneprophylaxe erreicht wird und sollte in jedem Fall bei gesundheitseinschränkenden Nebenwirkungen erfolgen“, teilte die DMKG dem Ärzteblatt mit.
Die Fachleute gehen davon aus, dass mindestens 10 % der Bevölkerung in Deutschland von Migräne betroffen sind. Die DMKG betont, dass in den klinischen Studien zu Aquipta Patienten mit kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen nicht untersucht wurden. „Für diese Patientengruppe liegen also keine Daten vor.“
Welche Rolle Aquipta künftig bei der Migräneprophylaxe spielen wird, bleibt abzuwarten. „Der Stellenwert im klinischen Alltag und die Einordnung in den medikamentösen Behandlungsalgorithmus wird sich abschließend erst nach Bewertung durch den G-BA im Rahmen des AMNOG-Verfahrens beurteilen lassen“, sagte Geber von der Schmerzgesellschaft. In jedem Fall sollte bei Aquipta wie auch bei den bereits verfügbaren Migräneprophylaktika die Behandlung mit nicht-medikamentösen Maßnahmen kombiniert werden.
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