Klima: Nicht nur Narkosegase verschlechtern die CO2-Bilanz im OP

Melbourne – Eine 3-stündige Anästhesie, wie sie beispielsweise für die Implantation einer Knieendoprothese benötigt wird, produziert (in Australien) so viel CO2 wie eine Autofahrt über 42 Meilen, rechnen Mediziner in Anesthesiology (2021; DOI: 10.1097/ALN.0000000000003967) vor und schlagen Maßnahmen vor, mit denen sich der ökologische Fußabdruck um mehr als die Hälfte reduzieren ließe.
In Krankenhäusern entstehen vor allem auf Intensivstation und im OP-Saal viele CO2-Äquivalente. Dies liegt nicht nur am Stromverbrauch, für den heute in der Regel fossile Energieträger verbrannt werden. Der erhöhte CO2-Abdruck entsteht auch durch die medizinische Ausrüstung. Ein beträchtlicher Anteil ist auf die Anästhesie und hier auf die Inhalationsanästhetika zurückzuführen, die eine deutliche Treibhauswirkung haben.
Der Wechsel auf eine Spinalanästhesie oder eine kombinierte Anästhesie würde das Problem jedoch nicht lösen, meint Forbes McGain von der Universität Melbourne, der mit Kollegen eine Lebenszyklusanalyse („Umweltbilanz“) für eine typische Operation erstellt hat, die 3-stündige Implantation einer Knieendoprothese. Die Operation kann entweder unter einer Inhalationsanästhesie, einer Spinalanästhesie oder einer gemischten Anästhesie erfolgen.
Die Forscher ermittelten zunächst für jede der 3 Anästhesien den Materialverbrauch für jeweils 10 Patienten und berechneten dann die benötigten CO2-Äquivalente.
Im Endergebnis fiel die Klimabilanz für die Inhalationsanästhesie nicht schlechter aus als für die beiden anderen Varianten. Mit 14,9 kg wurde sogar tendenziell weniger CO2 benötigt als bei der Spinalanästhesie (16,9 kg CO2) und der Kombinationsanästhesie (18,5 kg CO2). Der durchschnittliche CO2-Abdruck einer 3-stündigen Kniegelenkersatzoperation entspricht nach den Berechnungen von McGain einer Autofahrt von 42 Meilen mit einem PKW (US-Modell).
Ein Grund für die relativ günstige Klimabilanz der Inhalationsanästhesie war der Einsatz von Sevofluran. Das klimaschädlichere Desfluran wurde niemals und das ebenfalls problematische Lachgas nur bei 1 Patienten verwendet.
Dennoch betrug der Anteil von Sevofluran am CO2-Abdruck bei der Inhalationsanästhesie 35 %. Dass die Spinalanästhesie dennoch kein günstigeres Ergebnis erzielte, lag einmal an dem höheren Materialeinsatz für die sterile Applikation der Medikamente, was sich negativ auf den CO2-Abdruck auswirkte.
Zu Buche schlugen dabei weniger die Einmalmaterialien, als das Reinigen und Sterilisieren der mehrmals benutzten Gegenstände und textilen Stoffe. Sie trugen bei der Spinalanästhesie zu 29 % zum CO2-Abdruck bei. Ein weiterer Negativposten der Spinalanästhesie war mit einem Anteil von 18 % die Sauerstoffgabe an die Patienten.
Einmalmaterialien hatten bei allen 3 Anästhesien einen Anteil von 20 % bis 25 % am CO2-Abdruck. Ein weiterer signifikanter Posten war die elektrische Energie, die für die Erwärmung des Patienten benötigt wurde. Der Anteil lag bei etwa 20 % und war in allen Gruppen gleich.
Der Wechsel von einer Inhalations- zur Spinalanästhesie würde laut McGain die Klimabilanz im Op-Saal nicht wesentlich verbessern. Der CO2-Fußabdruck könnte nach Einschätzung der Anästhesisten jedoch durch mehrere Maßnahmen deutlich reduziert werden.
Zu den Vorschlägen gehört die Senkung der Sauerstoffflussraten in der Spinalanästhesie, eine Reduzierung des Einsatzes von inhalativen Anästhetika, die Minimierung des Plastik- und Glasverbrauchs und die Förderung erneuerbarer Energien in Australien, das bei der Stromgewinnung derzeit noch zu 80 % Kohle einsetzt. Insgesamt könnte der CO2-Abdruck um mehr als die Hälfte gesenkt werden, ist sich McGain sicher.
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