Medizin

Mutmaßlich erhöhtes Reinfektionsrisiko nach Long COVID

  • Freitag, 24. November 2023
/niphon, stock.adobe.com
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Beijing – Long-COVID-Betroffene könnten sich womöglich häufiger erneut mit dem SARS-CoV-2 anstecken. Allerdings sind die erhobenen Daten laut Experten­meinung wohl nicht stark genug für diese Interpretation. Eine derartige Hypothese sollte aber weiter untersucht werden (The Lancet Respiratory Medicine; 2023, DOI: 10.1016/S2213-2600(23)00387-9).

„Diese Studie ist ein weiterer, kleiner Mosaikstein um das Wissen zu den Langzeitfolgen einer COVID-19-In­fektion, dem Long-COVID-Syndrom, oder einer COVID-19-Omikron-Reinfektion besser abschätzen zu können“, kommentierte Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt der Sektion Infektiologie und Leiter des Ambulanz­zentrums Virushepatologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

In dieser monozentrischen Längsschnittstudie wurden COVID-19-Überlebende aus dem Frühjahr 2020 nach der Entlassung aus einem Krankenhaus in Wuhan bis zu 3 Jahre lang nachbeobachtet. Bei der 3-Jahres-Nachunter­suchung wurde die Infektionen durch die Omikron-Variante (B.1.1.529) miterfasst.

In der Omikronwelle steckten sich Teilnehmer mit Long COVID häufiger an, als jene ohne Long COVID (76 % versus 67 %, p = 0,0004). Allerdings unterschieden sich die Reinfektionsraten mit 39 und 40 % kaum noch von­einander, wenn die Omikroninfektion eindeutig mit einem molekularen Test nachgewiesen wurde.

Für Long-COVID-Betroffene wurde mittels klinischen Verdachts- und Patientengeschichte in 76 % der Fälle eine Omikroninfektion vermutet, aber nur in 39 % aller Long-COVID-Betroffenen ein positiver spezifischer Antigen- oder RT-PCR-Test gefunden. Dahingegen wiesen Non-Long-COVID-Betroffene in 40 % einen positiven spezifi­schen Antigen- oder RT-PCR-Test auf, aber klinisch wurde nur in 67 % aller Non-Long-COVID-Betroffenen eine Omikroninfektion vermutet.

„Offensichtlich erlaubt ein spezifischer Antigen- oder RT-PCR-Test eine objektivere – und somit ,fairere' – Diag­nose als die klinische Beurteilung bei einer Person, die entweder bereits eine COVID-19-bezogene Diagnose wie Long COVID hat, was den beurteilenden Arzt beeinflussen kann, oder nicht“, erläuterte Onur Boyman, Direk­tor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich (Schweiz).

Darüber hinaus fiel Boyman auf, dass die Kontrollgruppe der „Community controls“ eine höhere klinische Omikroninfektionsrate von 83 % als die Long-COVID-Betroffenen (76 %) aufwiesen, was die Behauptung der höheren Anfälligkeit für Reinfektionen mit SARS-CoV-2 von Long-COVID-Betroffenen wiederum infrage stelle.

Damit Bezieht sich Boyman auf die Schlussfolgerung der chinesischen Arbeitsgruppe, die besagt, dass sich Long-COVID-Betroffene sich häufiger reinfizierten als jene ohne Long COVID.

Auch für Schulze zur Wiesch lassen die Daten nur ein eingeschränkt eine solche Interpretation zu. „Die Autoren haben dieses Resultat – für welches es verschiedene Erklärungen geben mag – aus meiner Sicht schon etwas zu pointiert interpretiert.

Aber zumindest die Hypothese sollten wir weiter testen. Im Alltag würde ich aber warnen, dass Patienten mit Long-COVID-Symptomen nach dem Lesen dieser Studie nunmehr zusätzliche Befürchtungen hegen.

Ich denke, der allgemeine doch benigne Langzeitverlauf einiger der somatischen Folgeerscheinungen einer frühen COVID-19-Infektion mit dem Wild-Typ bei damals ungeimpften Patienten, wie zum Beispiel der Lungenfunktion, sollten aus meiner Sicht mehr betont werden“, so die Einschätzung von Schulze zur Wiesch.

cw

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