SARS-CoV-2: Singen bei gleicher Lautstärke nicht infektiöser als Sprechen

Bristol – Beim Singen wird die gleiche Anzahl von Tröpfchen und Aerosolen freigesetzt wie beim Sprechen. Entscheidend für die ausgestoßene Anzahl der Partikel war in einer experimentellen Studie in ChemRXiv (DOI: 10.26434/chemrxiv.1278922.v1) (Online) in erster Linie die Lautstärke. Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden gab es beim Atmen.
Berichte über SARS-CoV-2-Ausbrüche in Chören haben zu einem weitgehenden Verbot von Konzerten beigetragen. Die Gefahr für die Sänger und auch für die Zuhörer (zumindest in den ersten Reihen) wird als hoch eingestuft. Unklar ist allerdings, ob von Sängern ein höheres Risiko ausgeht als von Schauspielern.
Ein Team von Medizinern und Ingenieuren hat jetzt zusammen mit 25 professionellen Sängern untersucht, wie hoch die Konzentration der Tröpfchen und Aerosole bei verschiedenen Darbietungen ist. Die Sänger kamen aus verschiedenen Musikrichtungen vom Musiktheater, über Chöre, Oper bis zu Gospel, Rock, Jazz oder Pop.
Die PERFORM-Studie (ParticulatE Respiratory Matter to InForm Guidance for the Safe Distancing of PerfOrmeRs in a COVID-19 PandeMic) wurde in einem Operationssaal durchgeführt, in dem normalerweise streng aseptische orthopädische Eingriffe stattfinden.
Der Saal verfügte über eine „laminar flow“-Belüftung, die die Luft frei von Keimen und anderen Partikeln hält. Die Experimente fanden deshalb vor einem „zero Aerosol“-Hintergund statt. Die Künstler wurden gebeten, Töne und Melodien in einen Trichter zu singen. Dabei sollten sie die Lautstärke zwischen 50-60 dB, 70-80 dB und 90-100 dB variieren. Die aufgefangene Atemluft wurde mit einem „Aerodynamic Particle Sizer“ analysiert.
Wie das Team um Jonathan Reid von der Universität Bristol berichtet, stieg die Zahl der Partikel mit der Lautstärke an. Dabei spielte es keine Rolle, aus welchem Fach die Sänger waren. Opernsänger produzierten nicht mehr Tröpfchen und Aerosole als Popmusiker, sofern sie in der gleichen Lautstärke sangen. Auch das Geschlecht und der Body-Mass-Index oder die Lungenfunktion („Peak Flow“) der Sänger beeinflussten die Messergebnisse nicht.
Interessanterweise war der Partikelausstoß nicht niedriger, wenn der Satz „Happy Birthday to you“ gesprochen statt gesungen wurde. Entscheidend war die Lautstärke. Singen und Sprechen produzierten in der Regel eine größere Menge an Aerosolen als einfaches Atmen ohne Intonation. Auch der Anteil der größeren Partikel war höher.
Es gab allerdings einige Teilnehmer, die beim Atmen ungewöhnlich viele Aerosole ausstießen. Tatsächlich produzierten 4 Teilnehmer beim Atmen mehr Aerosole als beim lauten Sprechen (90 bis 100 dB). Der Grund hierfür ist unklar.
Die Studie zeigt, dass es im Prinzip keine Unterschiede zwischen der Form der Vokalisation gibt. Das Infektionsrisiko dürfte ähnlich sein. Rückschlüsse auf das Risiko bei den verschiedenen Kulturveranstaltungen sind nicht möglich, zumal die Experimente nur an einzelnen Sängern durchgeführt wurden, in der Regel aber mehrere Akteure auf der Bühne stehen.
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