Medizin

SARS-CoV-2: Wie sich eine Ausbreitung im Orchester begrenzen lässt

  • Freitag, 25. Juni 2021
/One, stock.adobe.com
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Salt Lake City – In Konzertsälen muss in Pandemiezeiten nicht nur die Raumakustik stimmen. Ebenso wichtig könnte ein Belüftungsmanagement werden. Eine Studie in Science Advances (2021; DOI: 10.1126/sciadv.abg4511) zeigt, wie mit wenigen einfachen Mitteln die Aerosolkonzentration im Orches­terbereich deutlich gesenkt werden könnte.

Nachdem es zu Beginn der Pandemie mehrere Ausbrüche in Chören gegeben hatte, gehörte die klas­sische Musik zu den ersten Bereichen, in denen der Kulturbetrieb eingestellt wurde. Inzwischen gelten Vorsichtsmaßnahmen, die in erster Linie versuchen, die einzelnen Sänger und Musiker auf Distanz zu halten. Für viele Konzerte bedeutet dies, dass die Orchester nur in kleiner Besetzung auftreten können.

In Zukunft könnten Experten der Aerodynamik die Konzertbetreiber beraten. Die gezielte Positionierung der Musiker und eine optimierte Entlüftung könnten dazu beitragen, das Infektionsrisiko auch bei voller Orchesterbesetzung zu minimieren.

Forscher der Universität von Utah in Salt Lake City haben für 2 Konzertsäle der Stadt ein sicheres Belüf­tungskonzept entworfen. Die Abravanel Hall ist eine klassische Konzerthalle, in der das Utah Symphony Orchester beheimatet ist. Das Capitol Theatre, ursprünglich ein Vaudeville Theater, steht auch für andere Veranstaltungen zur Verfügung.

Das Team um Tony Saad, einem Experten für Strömungsdynamik, analysierte in einem Computermodell die Luftströme auf der Bühne und setzte sie mit dem Aerosolausstoß der einzelnen Instrumentalisten in Beziehung. Die meisten Aerosole wurden beim Spielen der Blasinstrumente freigesetzt und hier vor allem von den Trompeten: Trompeter blasen nicht nur eine große Luftmenge in den Raum. Auch die Konzentration der Aerosole ist hoch, die zudem in einem weiten Umkreis gestreut werden. Im Orchester sind die Trompeter die potentiellen Superspreader.

Wesentlich geringere Risiken gehen von Tubisten aus. Die Tuba ist zwar größer als die Trompete, und sie setzt auch ein größeres Luftvolumen frei. Die Partikelkonzentration ist jedoch relativ gering. Ein infizier­ter Tubist würde deshalb weniger Musiker in seiner Umgebung gefährden. Von den meisten anderen Ins­tru­mentalisten gehen kaum Risiken aus, zumal Streicher, Perkussionisten oder auch Pianisten durch das Tragen eines Mundschutzes andere Musiker schützen können.

Der zweite wichtige Faktor waren in beiden Konzertsälen die Klimaanlagen. In der Abravanel Hall befan­den sich die Entlüftungsschächte an den Hinterwänden. Im Capitol Theatre wurde die Luft seitlich in der Decke abgesaugt.

Die Konzepte, die Saad am Ende vorschlug, waren denkbar einfach. In der Abravanel Hall wurden die Ins­trumentalisten, die am meisten „Wind“ machten, in den hinteren Bereich verlegt. Der Perkussionist, der sich dort normalerweise befindet, musste ins Zentrum des Orchesters umziehen. Neben ihm wurde der Flügel platziert, der sich wegen seiner Größe normalerweise am Rand des Orchesters befindet. Dort musste er Platz machen für Flöten, die zwar nur einen geringen Luftstrom erzeugen, aber dennoch ein Risiko im Orchester sind.

Die 2. Maßnahme war die Öffnung der Türen, die sich rechts und links an den Seitenwänden befanden. Das neue Arrangement sorgte nicht nur dafür, dass die Luftströme der Blasinstrumente rascher von der Klimaanlage abgesaugt wurden. Die Forscher konnten auch mehrere Strömungswirbel über den Musi­kern eliminieren, in der die Luft über längere Zeit „gefangen“ ist und dabei kontinuierlich Aerosole frei­setzt.

Im Capitol Theatre ließ sich die Belüftungssituation vor allem durch das Öffnen der Türen an der Rück­wand der Bühne verbessern. Nach den Berechnungen von Saad sind die Maßnahmen dazu geeignet, die Aerosolkonzentration auf der Bühne und damit das Infektionsrisiko um den Faktor 100 zu senken.

rme

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