Vertrauen in die Wissenschaft ist in der Pandemie angestiegen

Münster – Während der COVID-19-Pandemie ist das Vertrauen der Deutschen in die Wissenschaft gewachsen. Gaben vor der Pandemie noch 46 % der Befragten an, der Wissenschaft zu vertrauen, war dieser Wert kurz nach Pandemiebeginn auf 73 % angestiegen.
Auch nach einigen Monaten Pandemieerfahrung lag der Wert mit 61 % noch deutlich über dem Vorkrisenniveau, wie Münsteraner Forschende in PLOS ONE berichten (DOI: 10.1371/journal.pone.0262823)
„Die Gruppe, die der Wissenschaft misstraut, war mit 7 bis 8 % der Befragten sehr gering. Und sie verzeichnete im bisherigen Verlauf der Pandemie keinen Zuwachs“, berichten der Psychologe Rainer Bromme von der der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und seine Co-Autoren. Der große Block der Unentschlossenen sei kleiner geworden, was die Gruppe derjenigen habe wachsen lassen, die der Wissenschaft vertrauten.
Auswertung des Wissenschaftsbarometers
Die Arbeitsgruppe um Bromme analysierte Daten mehrerer Befragungsrunden des deutschen Wissenschaftsbarometers, das in regelmäßigen Abständen die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Wissenschaft erhebt.
Sie verglichen die Ergebnisse vom September 2019, also vor der Pandemie, mit den Ergebnissen aus den Pandemiemonaten April, Mai und November 2020. Insgesamt umfasste die Analyse pro Erhebung zwischen 940 und 980 Personen.
Politik soll sich an Wissenschaft orientieren
4 von 5 Befragten gaben an, von der Politik eine Orientierung an den Erkenntnissen der Wissenschaft zu erwarten. Dies galt insbesondere für Menschen mit stärkerem Wissenschaftsvertrauen.
Die Auswertung des Wissenschaftsbarometers zeigt außerdem, dass der Grad der formalen Bildung mit dem Vertrauen gegenüber der Wissenschaft assoziiert ist – bei Personen mit höherer Schulbildung war das Wissenschaftsvertrauen im Durchschnitt höher.
Weniger Zustimmung zu Verschwörungstheorien
Anders als einige Medienberichte vermuten lassen, sank die Zustimmung zu verschwörungstheoretischen und populistischen Annahmen über Wissenschaft im Laufe der Pandemie.
Wissenschaftlern werde vor allem wegen ihrer Expertise vertraut. Für den Umgang mit populistischer Ablehnung etablierter Wissenschaft empfehlen Bromme und seine Kollegen, die „Absichten, Interessen und Werte der Wissenschaftler“ hervorzuheben. Denn: Würden unlautere, schlechte oder egoistische Absichten angenommen, stärke das das Misstrauen
Komplexität und Kontroversen offen einräumen
Gute Wissenschaftskommunikation hat in der Pandemie noch einmal an Bedeutung gewonnen. Aus ihren Studienergebnissen leiten Bromme und seine Kollegen einige Empfehlungen ab: Vor allem anderen müsse Wissen über die Pandemie gut verständlich vermittelt werden, raten sie. Gleichzeitig sollte aber durchaus angesprochen werden, dass es sich um komplexes und schwieriges Fachwissen handele.
Außerdem raten Bromme und seine Kollegen, akademische Kontroversen offen aufzuzeigen und auf die Grenzen des jeweiligen Fachs hinzuweisen. Auch so könne populistischen Angriffen vorgebeugt werden.
„Wir sind der Meinung, dass für die breite Öffentlichkeit in Deutschland Wissenschaft kein Strohhalm ist, nach dem man in verzweifelten Situationen greift. Vielmehr ist es ein Anker in schwierigen Zeiten, selbst wenn das Vertrauen in politische Maßnahmen zum Umgang mit der Pandemie abnimmt“, lautet das Fazit der Autorengruppe.
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