Warum ein Schlaganfall anfälliger für Infektionen mit SARS-CoV-2 macht
Duisburg/Essen – Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, gehören zur Hochrisikogruppe für eine schwere SARS-CoV-2-Infektion. Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen haben nun in einem experimentellen Modell einen Erklärungsansatz dafür gefunden. Sie stellen ihn in der Fachzeitschrift Brain, Behavior and Immunity vor (DOI: 10.1016/j.bbi.2021.01.039).
Das Forscherteam verwendete ein experimentelles Modell, das den Zustand eines menschlichen Schlaganfalls nachahmt. Sie konzentrierten sich bei ihrer Arbeit auf die Veränderungen des Proteins Angiotensin-converting enzyme (ACE)-2, denn ACE-2 ist ein wesentlicher Rezeptor, über den SARS-CoV-2 in Lungenepithelzellen eindringen kann.
„Auffällig war, dass schon einen Tag nach Auslösung eines experimentellen Schlaganfalls mehr ACE-2 in den Lungen vorhanden war“, erläuterte Matthias Gunzer, Direktor des Instituts für Experimentelle Immunologie und Bildgebung. Die Forschenden konnten dabei klare Zusammenhänge erkennen: Je schwerer die Verhaltensdefizite nach einem Schlaganfall waren, desto höher war auch das Level von ACE-2 in der Lunge.
„Ein Schlaganfall führt dazu, dass verschiedene Entzündungssignale im Hirn freigesetzt werden“, sagte Vikramjeet Singh, Neuroimmunologe am Institut für Experimentelle Immunologie und Bildgebung. Diese Signale wirkten sich unter Umständen aber auch auf weiter entfernte Organe aus, zum Beispiel der Lunge.
Laut den Messungen der Forschenden blieben die Proteinkonzentrationen von ACE-2 im Herzen, in der Niere und im Gehirn der Versuchstiere jedoch unverändert. Allerdings waren die Konzentrationen an Entzündungsmarkern erhöht und die Zahl der weißen Blutkörperchen verringert, was auf eine geschwächte Abwehrkraft nach einem Schlaganfall hindeutete.
„Auf der Basis unserer präklinischen Befunde vermuten wir daher, dass möglicherweise auch Menschen mit Hirnverletzungen durch gesteigerte ACE-2-Expression eine erhöhte Bindungsaffinität für SARS-CoV-2 in der Lunge entwickeln und sich so deren Anfälligkeit für Coronainfektionen erhöht“, so Singh.
„Dies könnte erklären, weshalb das SARS-CoV-2 Virus bei Schlaganfallpatienten leichter in den menschlichen Körper eindringen und sich dort vermehren kann“ , ergänzt Dirk Hermann aus der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Essen und Mitautor der Studie.
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