Medizin

X-chromosomale myotubuläre Myopathie: 2 Todesfälle nach Gentherapie

  • Freitag, 17. Juli 2020
/Gernot Krautberger - stock.adobe.com
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San Francisco – In einer Phase 1/2-Studie zur Gentherapie der X-chromosomalen myotu­bulären Myopathie ist es innerhalb von einem Monat zu 2 Todesfällen gekommen. Dies teilte der Hersteller Audentes Therapeutics in einem Brief an Patientenorgani­sationen mit. Die Ursache der beiden Todesfälle war eine Sepsis vermutlich als Konsequenz einer Leberschädigung.

Die X-chromosomale myotubuläre Myopathie (XLMTM) ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung. Ursache sind Mutationen im Gen MTM1. Es enthält den Bauplan für das Enzym Myotubularin, das für die normale Entwicklung und Funktion der Zellen der Skelettmuskulatur benötigt wird. Das Gen befindet sich auf dem Chromosom Xq27.3-q28, weshalb fast nur Knaben erkranken.

Diese leiden bereits nach der Geburt unter einer Muskelschwäche, die rasch fortschrei­tet. Die mittlere Lebenserwartung liegt bei 18 Monaten. Es gibt aber auch mildere Verlaufsformen. 1/4 der Kinder erreicht ein Alter von 10 Jahren. Die Kinder bleiben allerdings in der körperlichen Entwicklung zurück. Die meisten können sich ohne Unterstützung im Sitzen nur kurz aufrecht halten, die wenigsten können sich eigenständig fortbewegen. Etwa 80 % müssen beatmet werden.

Die Hoffnung der Eltern ruhen derzeit auf einer Gentherapie, die die US-Firma Audentes Therapeutics aus San Francisco entwickelt hat (die inzwischen zum japanischen Astellas-Konzern gehört). Die Behandlung besteht aus der Injektion von Adeno-assoziierten Viren (AAV 8), die eine korrekte Kopie des Gens MTM1 in den Muskelzellen abladen.

Die ersten klinischen Ergebnisse der internationalen Phase-1-Studie ASPIRO (unter Beteiligung des von Haunerschen Kinderspitals München) waren gut. Die Behandlung mit AT132 wurde gut vertragen. Nach den im Oktober 2019 auf einem Kongress vorgestellten Daten stellten die Muskelzellen nach der Gentherapie intakte Versionen von Myotubularin her. Die Muskelfunktion verbesserte sich und bei den ersten 7 behandelten Kindern konnte auch die Beatmung beendet werden.

Die Dosis der Gentherapie wurde daraufhin erhöht. Dabei wurde offenbar die Grenze der Verträglichkeit überschritten. Bei drei Kindern kam es innerhalb der ersten 4 bis 6 Wochen nach der AT132-Dosierung zu einer fortschreitenden Leberfunktionsstörung, die durch Hyperbilirubinämie gekennzeichnet war und nicht auf die Standardbehandlung ansprach.

2 Patienten sind trotz einer aggressiven Behandlung an einer Sepsis gestorben. Alle 3 Kinder wiesen nach Auskunft des Herstellers Risikofaktoren wie ein höheres Alter, ein höheres Körpergewicht und eine vorbestehende Lebererkrankung auf.

Die genauen Ursachen der Todesfälle würden derzeit untersucht, teilt der Hersteller mit. Derweil wurde die weitere Behandlung von Kindern auf Anordnung der US-Arzneimittelbehörde FDA gestoppt.

Die Todesfälle könnten die weitere klinische Entwicklung von AT132 verzögern. Der Hersteller hatte geplant noch in diesem Jahr Die Zulassung zu beantragen. Diese Pläne könnten sich vorerst zerschlagen haben.

rme

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