Änderung im Medizinforschungsgesetz sorgt für Frust in der Ärzteschaft

Nürnberg – In das Medizinforschungsgesetz (MFG) soll eine inhaltlich an die Krankenhausreform gelehnte Änderung eingefügt werden. Das sieht ein Änderungsantrag vor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Dieses Vorgehen sorgt für deutliche Kritik der Ärzteschaft als auch vonseiten der Kliniken.
Derzeit ist bereits vorgesehen, dass Krankenhäuser vierteljährlich Daten zur Anzahl aufgestellter Betten und Intensivbetten sowie zur Anzahl der beschäftigten Ärztinnen und Ärzte an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) übermitteln müssen. Erstmals war diese Übermittlung zum 15. Januar 2024 laut Gesetz vorgesehen. Diese Regelung wurde mit dem Krankenhaustransparenzgesetz eingeführt.
In einem ersten Entwurf des Krankenhaustransparenzgesetzes von August 2023 war vorgesehen, dass Krankenhäuser nicht nur die Arztzahlen, sondern auch die Leistungsgruppen inklusive zugeordneten Behandlungsfällen quartalsweise melden müssen. Allerdings ist die Meldung der Leistungsgruppen nach dem in Kraft getretenen Gesetz zufolge nicht mehr jedes Quartal, sondern nur noch jährlich vorgesehen. Zudem war sie bislang unabhängig von den Arztzahlen vorgesehen.
Nun soll durch eine Änderung des MFG die quartalsweise Datenübermittlung der Anzahl der beschäftigten Klinikärzte auch gegliedert nach den geplanten Leistungsgruppen erfolgen. Die Krankenhausreform, die sich derzeit wie das MFG auch im parlamentarischen Prozess befindet, sieht die Einführung von 65 bundesweiten einheitlichen Leistungsgruppen vor.
Diese definieren Standards für die personelle und technische Ausstattung, die für bestimmte Leistungen zwingend notwendig werden sollen. Länder sollen die Leistungsgruppen für ihre Krankenhausplanung nutzen können. Ziel ist, die Qualität der stationären Patientenversorgung zu verbessern. Die Reform soll Anfang 2025 in Kraft treten.
Änderung erfolge durch die Hintertür
Die nun geplante Kopplung der Ärztezahlen mit den Leistungsgruppen kritisiert der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten (BDA) deutlich. Markus Stolaczyk, Leiter des Referates Gesundheitspolitik im BDA, bemängelte, dass der Gesetzgeber kritische Stimmen missachte und die Regelung durch einen Änderungsantrag im MFG einführen wolle, also „quasi durch die Hintertür“.
Die Anästhesie und Intensivmedizin seien komplexe Fachgebiete, in denen Ärztinnen und Ärzte interdisziplinär und intersektoral wichtige Schnittstellen zu fast allen Fachgebieten besetzen würden. „Eine detaillierte zeitliche Zuordnung zu Leistungsgruppen ist in der Praxis nicht durchführbar und würde zu einer weiteren Belastung der Fachärztinnen und -ärzte für Anästhesiologie führen“, sagte Stolaczyk.
Er erklärte, Leistungsgruppen seien nicht zur Personaleinsatzplanung gedacht. Aktuell gebe es keine Evidenz dafür, dass Personal mit Hilfe von Leistungsgruppen effektiv dem medizinischen Bedarf der Patientinnen und Patienten zugeordnet werden könnte. „Hier könne stattdessen das Personalbemessungstool ÄPS-BÄK der Bundesärztekammer als geeignete Methode zur Ermittlung des Personalbedarfs in den einzelnen Fachgebieten zum Einsatz kommen“, schlägt Stolaczyk vor.
Das Tool fuße auf den ursprünglich vom BDA entwickelten Personalbedarfskalkulations-Tools, die zur Berechnung der personellen ärztlichen Ausstattung anästhesiologischer und intensivmedizinischer Arbeitsplätze entwickelt wurden. „Wenn wir herausfinden wollen, ob es eine Über- oder eine Unterversorgung mit Personal in den einzelnen Fachgebieten gibt, sollten wir auf das ÄPS-BÄK der Bundesärztekammer setzen und nicht auf dokumentationspflichtigen Aufenthalt von Ärztinnen und Ärzten“, erklärte auch Thomas Iber, der das Tool des BDA ursprünglich mitentwickelt hat und als Schriftführer Teil des BDA-Präsidiums ist.
Zusätzliche Dokumentationspflichten befürchtet
Abgesehen davon bestehe bereits heute ein enormer Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten, was nicht nur die ärztliche Versorgung der Patientinnen und Patienten beeinträchtigt, sondern auch zu steigenden Belastungen und berufsbedingtem Stress führt. Angesichts des Fachkräftemangels sei damit niemandem geholfen. „Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte am Patientenbett, nicht hinter dem Schreibtisch mit zusätzlicher Dokumentationspflicht“, stellte Stolaczyk klar.
Sowohl die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als auch der Klinikverbund Hessen kritisierten kürzlich die geplante Regelung. Die Leistungsgruppen, die ab 2027 Grundlage der Krankenhausplanung werden sollen, seien wesentlich differenzierter als Fachabteilungen, und eine Ärztin oder ein Arzt könne in mehreren Leistungsgruppen tätig sein, schreibt der Klinikverbund Hessen.
„Diese Regelung zeigt erneut den überzogenen theoretischen Ansatz im Bundesgesundheitsministerium, wo offensichtlich Kenntnisse über die praktische Arbeit und Organisation im Krankenhaus nicht vorhanden sind“, sagte Achim Neyer, Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Hessen. Eine exakte zeitliche Zuordnung ärztlicher Tätigkeiten zu Leistungsgruppen sei ein unfassbarer bürokratischer Aufwand und faktisch unmöglich.
Der Geschäftsführer des Klinikverbunds Hessen, Reinhard Schaffert, bemängelte zudem das Prozedere. „Ich halte die Einführung umstrittener Regelungen im parlamentarischen Verfahren über Änderungsanträge mit extrem kurzer Stellungnahmefrist für eine bewusste Methode des Bundesgesundheitsministeriums, um die Diskussion klein zu halten“, sagte Schaffert.
Selbstverständlich sei das parlamentarische Verfahren dazu da, die Formulierungen zu diskutieren und im Sinne einer Verbesserung zu ändern. „Dass aber relevante Regelungen bewusst nicht in den eigentlichen Gesetzentwurf aufgenommen, sondern erst nachträglich als Änderungsantrag eingebracht werden, wie zwischen den Zeilen einigen Äußerungen von Mitarbeitern des Bundesgesundheitsministeriums zu entnehmen ist, halte ich nicht zuletzt auch für ein bedenkliches Demokratieverständnis“, so Schaffert.
Dieses Vorgehen, sowie die zunehmende Tendenz, Gesetzentwürfe als eilbedürftig zu definieren und möglichst rasch durch den Bundestag zu bringen, führe letztlich auch zu handwerklich schlechten Gesetzen, kritisierte er weiter.
Das Medizinforschungsgesetz soll kommende Woche im Bundestag beschlossen werden, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gestern auf dem Hauptstadtkongress (HSK). Ziel der Reform ist es, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland zu verbessern, indem Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen sowie Zulassungsverfahren beschleunigt und entbürokratisiert werden sollen.
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