AOK verzeichnet Rekorddefizit für 2021

Frankfurt – Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) melden für das zurückliegende Jahr ein nie dagewesenes Defizit. Vorläufigen Daten zufolge, die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegen, betrug die Finanzierungslücke im vergangenen Jahr 4,1 Milliarden Euro. Das waren noch einmal 1,5 Milliarden Euro mehr, als die AOK in den ersten drei Quartalen ausgewiesen hatte. Und es bedeutete eine Vervierfachung des AOK-Defizits von 2020.
2019 hatte das Finanzloch des Verbunds nur 121 Millionen Euro betragen, 2018 und 2017 waren sogar satte Überschüsse von mehr als einer Milliarde Euro angefallen. Die anderen Verbände, etwa die Ersatz-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, haben ihre Zahlen noch nicht veröffentlicht. Bis zum dritten Quartal lagen aber auch sie im Minus, mit Ausnahme der kleinen Landwirtschaftskassen und der großen Ersatzkassen. Das Gesamtsystem hatte damals minus 3,2 Milliarden Euro ausgewiesen.
Selbst wenn der Ersatzkassenverband seine geringen Überschüsse von 70 Millionen Euro im vierten Quartal ausgebaut haben sollte, sind laut Zeitung angesichts der überwältigend schlechten AOK-Daten keine grundlegenden Verbesserungen in den Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erwarten. 2021 könnte damit als eines der schlechtesten oder vielleicht sogar als das schlechteste Jahr überhaupt in die Geschichte der GKV eingehen.
Neben der AOK hat auch die kleine Knappschaft ihre Jahreszahlen präsentiert. Bei ihr fiel ein Defizit von 104 Millionen Euro an, etwas weniger als 2020 mit damals 138 Millionen. Knappschafts-Geschäftsführerin Bettina am Orde stellte klar, dass die Belastungen nicht an der Coronapandemie lagen. Es habe, im Gegenteil, eine „pandemiebedingte Zurückhaltung der Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen“ gegeben, sagte Orde. Vielmehr habe der Fehlbetrag mit der Vermögenabgabe zu tun, also dem Rückgriff in die Reserven.
Diesen hatte die zurückliegende Bundesregierung mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Krankenkassen auferlegt, um die GKV-Finanzen zu stabilisieren. Der Grund dafür war, dass die Kassenrücklagen ein Mehrfaches der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve betrugen, die Spahn zunächst einmal abschmelzen wollte, bevor er andere Finanzierungswege beschritt, etwa Beitragserhöhungen.
Orde bemängelte, dass solche Krankenkassen besonders tief in die Tasche hätten greifen müssen, „die in der Vergangenheit sparsam mit Versichertengeldern umgegangen waren“. Die Knappschaft habe 187 Millionen Euro an den Gesundheitsfonds abführen müssen. Über alle Kassen hinweg betrug die Vermögensabgabe 8 Milliarden Euro.
Orde forderte: „Die Krankenkassen brauchen umgehend eine verlässliche Finanzierungsgrundlage und Planungssicherheit für die kommenden Jahre.“
Als stark gebeutelt empfinden sich auch die Ortskrankenkassen, die ebenfalls Sondereffekte als Erklärung für das schlechte Abschneiden ins Feld führen. Die AOK-Gemeinschaft sei „überproportional“ von der Auflösung der Finanzrücklagen belastet worden, nämlich mit 4,2 Milliarden Euro, sagte die neue Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann.
Des Weiteren habe sich die Neuordnung des sogenannten Risikostrukturausgleiches (RSA) auf die AOK-Familie besonders negativ ausgewirkt. Der RSA ist eine Art Finanzausgleich unter den Kassen, der sicherstellen soll, dass Versicherungen mit überdurchschnittlich vielen kranken Menschen keine Wettbewerbsnachteile erleiden. Die Reform muss der AOK zufolge aber überarbeitet werden, da sie „erhebliche Risikoselektionsanreize“ biete. Diese gingen „besonders zulasten sozialpolitisch schutzbedürftiger und vulnerabler Menschen“.
Was die künftige Kassenlage angeht, warnte Reimann: „Nun sind unsere Rücklagen zu großen Teilen aufgebraucht.“ Gleichzeitig sei nach der Coronawelle „in nächster Zeit mit kräftigen Nachholeffekten und einem Anstieg der Ausgaben zu rechnen“. Darauf müsse die neue Bundesregierung reagieren.
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