Betroffene und Ärzte warnen vor Hürden bei Umsetzung des Intensivpflegegesetzes

Kassel/Berlin – Ärztinnen und Ärzte sowie Selbsthilfevereine befürchten, dass Intensivpflegepatienten aufgrund eines neuen Gesetzes in ihrem Recht auf häusliche Betreuung eingeschränkt werden.
Hintergrund ist die am 1. Januar neu eingeführte Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI). Sie ist eine Umsetzung des neuen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPReG) und sieht vor, dass künftig vor jeder ärztlichen Verordnung der pflegerischen Leistungen die ergänzende Untersuchung durch einen besonders qualifizierten Facharzt vorgeschrieben ist.
„Das Hauptproblem sind die nicht verfügbaren medizinischen Strukturen, die dieses Gesetz voraussetzt“, sagte dazu Lennart Gunst, Funktionsoberarzt und Kinderpneumologe am Universitätsklinikum Freiburg und Sprecher der Sektion Kinder und junge Menschen bei der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB). Der Aufbau zusätzlicher ambulanter Strukturen könne nicht ausreichend und schnell genug vorangetrieben werden.
Die benötigten medizinischen Kapazitäten seien derzeit „nicht vorhanden“, warnte auch Markus Behrendt, selbst Vater eines beatmeten jungen Erwachsenen und Vorsitzender des Elternselbsthilfevereins IntensivLeben in Kassel. Es gebe schlichtweg nicht genug dieser Fachärzte.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erklärte, im Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Grünen sei vorgesehen, dass bei der intensivpflegerischen Versorgung die freie Wahl des Wohnorts erhalten bleiben müsse. „Das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz soll darauf hin evaluiert und nötigenfalls nachgesteuert werden.“
Ziel der Neuregelungen ist es laut Ministerium, die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit außerklinischem Intensivpflegebedarf zu verbessern und Fehlanreize zu vermeiden. Auf die Kritik von Betroffenen und Verbänden hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit einer Übergangsfrist bis zum Oktober reagiert.
Dass die ambulanten Versorgungsstrukturen bis dahin in allen Regionen rechtzeitig zur Verfügung stehen, hält Behrendt allerdings für ausgeschlossen. Laut der DIGAB gibt es bundesweit über 20.000 Kinder und Erwachsene, die beatmet werden müssen und außerklinische Intensivpflege benötigen.
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