Ärzteschaft

Intensivmediziner Karagiannidis verlangt Reformen im Gesundheitswesen

  • Montag, 19. Dezember 2022
Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DIVI). /picture alliance, EPA, CLEMENS BILAN
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Berlin – Ohne grundlegende Reformen drohen im deutschen Gesundheitssystem nach Einschätzung des Intensivmediziners Christian Karagiannidis Versorgungslücken und hohe Kosten. „Die Pandemie war nicht schön, aber im Vergleich zu dem, was die nächsten zehn Jahre auf uns zukommt, war das das deutlich kleinere Problem“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) der Wochentaz.

In allen Berufsgruppen gingen pro Jahr rund 500.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rente, erklärte Karagiannidis. Millionen Stellen würden nicht nachbesetzt. „Diese Arbeitskräfte fehlen als Pflegekräfte, sie fehlen als Beitragszahler – das wird noch völlig unterschätzt. Und sie werden selbst zu Pflegefällen. Das ist ein Teufelskreis, aus dem wir erst in ungefähr zehn Jahren wieder rauskommen.“

Selbst, wenn jetzt grundlegende Reformen auf den Weg gebracht würden, würden die nächsten zehn Jahre „sehr schmerzhaft“, sagte Karagiannidis voraus und warnte: „Wenn wir damit nicht anfangen, crasht das Gesundheitssystem.“ Das bedeute, dass Patienten nicht mehr flächendeckend gut versorgt werden könnten. Die Ausgaben im Gesundheitsbereich stiegen jetzt schon überproportional zum Bruttoinlandsprodukt.

„Wenn das so weitergeht und die demografische Dynamik dazu kommt, dann wird die Gesundheitsversorgung für die Menschen mit unteren und mittleren Einkommen nicht mehr bezahlbar.“

Allein Arbeitsplätze in der Pflege attraktiver zu machen, genüge angesichts der demografischen Entwicklung nicht zur Schließung von Personallücken, so Karagiannidis. „Das Einzige, was die Zahl der Arbeitskräfte erhöhen würde, wäre strukturierte Migration im großen Stil.“ Bisher habe Deutschland vor allem fertig ausgebildete Pflegekräfte ins Land geholt. „Die gehen lieber in andere Länder, weil die Willkommenskultur in Deutschland nicht so top ist, da muss man ehrlich sein.“

Er plädierte dafür, in Ländern mit hohen Geburtenraten und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit ein Programm aufzusetzen, das junge Menschen direkt nach der Schule nach Deutschland holt. „Nach der dreijährigen Ausbildung sollen sie selbst entscheiden, ob sie hierbleiben oder ins Heimatland zurückkehren. Aber das müsste jetzt schnell gehen, und dafür müsste sich erheblich was ändern in Deutschland.“

dpa

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