Bundeskanzler Merz erteilt Einheitsversicherung eine Absage

Berlin – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will trotz der schwierigen Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) langfristig am dualen Krankenversicherungssystem festhalten. Auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes in der Bundespressekonferenz erklärte Merz heute, dass er die Lösung der Finanzierungsprobleme nicht in einer gemeinsamen Krankenversicherung, in die alle einzahlen würden, sehe.
Wenn man sich die Beitragszahlen genauer ansehe, würde man erkennen, dass Menschen, die privatkrankenversichert seien, „einen weit überproportionalen Beitrag für das System leisten“, sagte Merz. „Wenn Sie den Mercedes verbieten, wird der Golf teurer“, prognostizierte er die Folge einer möglichen Zusammenlegung beider Versicherungen.
„Das kann man machen. Nur zu glauben, dass nur die einfache Lösung darin besteht, mal eben die Zahl der Beitragszahler zu erhöhen, ist ein gewaltiger Irrtum“, so der Kanzler. Beitragsbemessungsgrenzen anzuheben oder Teile der Versicherung nicht mehr zu erlauben, würden kein einziges Problem beseitigen, erklärte er.
Merz will abwarten, welche Regelungsvorschläge die geplante Kommission zur Stabilisierung der GKV-Finanzierung vorschlägt. Diese seien aber noch keine Gesetzesvorschläge, betonte Merz. Aufgabe der Bundesregierung sei es, die Empfehlungen zu prüfen und anschließend einen Gesetzgebungsprozess anzustoßen.
Kritischer Umfang von versicherungsfremden Leistungen
Ein Problem ist Merz zufolge auch, dass der Umfang versicherungsfremder Leistungen in der Krankenversicherung heute „in der Tat kritisch“ ist. Beispielsweise gibt es derzeit nur rund ein Drittel an Steuermitteln für die Refinanzierung von Beiträgen von Bürgergeldempfängern in der GKV. Beitragszahler müssen jährlich dem GKV-Spitzenverband zufolge noch rund neun Milliarden Euro stemmen, um diese Kosten entsprechend aufzufangen. In Summe fehlen dem Verband zufolge etwa zehn Milliarden Euro jährlich für Leistungen, die die Krankenkassen im Auftrag des Staates erbringen. Politisch umstritten ist, ob diese zusätzlichen Mittel nicht aus Steuergeldern finanziert werden müssen.
Merz betonte, die Definition von „versicherungsfremden Leistungen“ in den einzelnen Sozialsystemen seien nicht einheitlich und es gehöre dazu, dass Leistungen teils aus der Krankenversicherung für Menschen finanziert würden, die keine Beiträge geleistet hätten. „Das war immer so“, betonte er.
Dennoch müsse auch diese Herausforderung angegangen werden. Kurzfristige Entscheidungen allein über die versicherungsfremden Leistungen würden das Problem der schwierigen GKV-Finanzsituation aber nicht lösen, so Merz weiter.
Im Herbst werde es zwar noch keine finalen Entscheidungen zu den geplanten Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung geben. Allerdings wolle die Bundesregierung dann erste entsprechende Weichen stellen und die Reformen auf den Weg bringen, sagte der Bundeskanzler.
Die Novellierung solle umgesetzt werden, um der Bevölkerung zu zeigen, dass die Bundesregierung höhere Anstrengungen für die Altersversorgung, Gesundheitsversorgung und Pflege unternehme. Er betonte aber auch: „Die Rufe nach dem Staat sind Rufe an uns alle selbst. Der Staat sind wir alle.“ Einen anderen gebe es nicht. Wichtig sei deshalb, dass sich die 84 Millionen Menschen in Deutschland mit der Politik verständigen müssten, wofür man verfügbare Mittel in den Bereichen Gesundheit und Pflege aufwenden wolle.
Bezüglich der immer weiter ansteigenden Sozialversicherungsbeiträge bei Rente, Gesundheit und Pflege will der Bundeskanzler mit den Reformen mindestens eine Stabilisierung der Beiträge innerhalb dieser Legislaturperiode erreichen, wie er sagte.
Seine Motivation liege darin, dafür zu sorgen, dass insbesondere junge Menschen eine Chance hätten, in Deutschland nicht nur in Frieden und Freiheit zu leben, sondern auch in Wohlstand und in einer bestmöglichen sozialen Sicherung, betonte Merz.
Thema in der heutigen Sommerpressekonferenz – angeschoben um die Debatte der möglichen künftigen Verfassungsrichterin und Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf – war zudem der künftige Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen.
Der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung sieht künftig eine Erweiterung der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung bei Schwangerschaftsabbrüchen vor. Diese Vereinbarung soll kommen, betonte Merz heute.
Welche Folgen dieses Vorhaben aber für die aktuelle gesetzliche Regelung hätte, dass Schwangerschaftsabbrüche zwar rechtswidrig seien, aber unter bestimmten Umständen straffrei blieben, könne er noch nicht abschließend beurteilen.
„Ob diese Konstruktion geändert werden muss, wenn wir im Sozialrecht und Krankenkassenrecht etwas ändern, vermag ich im Augenblick nicht zu beantworten“, sagte Merz. Er vermute aber, dass man für die weitere Kostenübernahme nicht den Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch streichen müsse.
Für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches im ersten Trimenon hatte sich der Deutsche Ärztetag im Mai ausgesprochen.
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