Politik

Bundesregierung geht von Beschleunigung der Impfkampagne aus

  • Montag, 28. Juni 2021
/as-artmedia, stock.adobe.com
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Berlin – Zusätzliche Impfstoffmengen können den Kampf gegen die Coronapandemie in Deutschland in den kommenden Wochen deutlich beschleunigen. „Bis Ende Juli wird jeder Erwachsene in Deutschland, der geimpft werden will, auch eine erste Impfung erhalten haben können; wenn die Lieferungen so wei­tergehen, vielleicht noch ein Stück früher“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorges­tern in einer Diskussionsrunde in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bislang immer erklärt, dass jeder Bürger bis zum Ende des Sommers am 21. September ein Impfstoffangebot erhalte.

Ein halbes Jahr nach Beginn der Impfkampagne ist mehr als die Hälfte der Menschen hierzulande min­destens einmal gegen das Coronavirus geimpft. Über ein Drittel hat auch schon die zweite Spitze erhal­ten. Wie aus Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) von vorgestern hervorgeht, sind knapp 44,4 Millionen Menschen (53,3 Prozent) zumindest einmal und 28,9 Millionen (34,8 Prozent) vollständig geimpft. Allein am Freitag wurden 852.814 Impfdosen verabreicht.

Unter den Bundesländern verzeichnet Bremen mit 60,8 Prozent den höchsten Anteil Erstgeimpfter. Bis auf Sachsen (47,2 Prozent) liegen alle Bundesländer über der 50-Prozent-Marke. Das Saarland hat mit 41,1 Prozent den höchsten Anteil an vollständig Geimpften. Brandenburg ist mit 32,2 Prozent das Schlusslicht.

Bayern fühlt sich ungerecht behandelt

Der Freistaat Bayern fühlt sich bei der Verteilung des Impfstoffs unter den Bundesländern ungerecht behandelt. Bayern liege bei der Verteilung, gerechnet auf 100.000 Einwohner, auf Platz sieben unter den Ländern, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag nach einem Impfgipfel in Bayern. „Wir brauchen mehr Impfstoff, auch in der Verteilung der Bundesländer“, sagte Söder. Die Verteilgerechtigkeit müsse erhöht werden, jedes Bundesland müsse auf 100.000 Einwohner gleich viel Impfstoff bekommen.

Söder räumte aber auch ein, dass bei der Verteilung des Impfstoffs auch innerhalb Bayerns Unregelmä­ßigkeiten aufgetreten seien. Vor allem der Impfstoff von Astrazeneca gehe „nicht weg wie warme Sem­meln“. Es müsse ein System etabliert werden, bei dem die Apotheken, niedergelassenen Ärzte und Be­triebsärzte übrig gebliebene Dosen an die Impfzentren melden. Die 100 Impfzentren in Bayern müssten über den September hinaus erhalten bleiben, um das System von Ärzten zu ergänzen.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) rief die Ständige Impfkommission (STIKO) auf, sich zum Thema Kreuzimpfungen mit zwei verschiedenen Impfstoffen klarer zu positionieren. Kreuzimpfun­gen könnten auch die Akzeptanz des Impfstoffs von Astrazeneca verbessern. Zudem seien Kreuzimpfun­gen unter Umständen für Auffrischungen etwa bei Bewohnern von Seniorenheimen laut Virologen eine denkbare Alternative.

Bayern ist vor allem bei den Erstimpfungen im Vergleich der Bundesländer ins Hintertreffen geraten. Mit knapp 51 Prozent liegt Bayern hier auf dem vorletzten Platz der Erstimpfungen. Mit 35 Prozent bei den vollständigen Impfungen liegt Bayern in dieser Statistik im Mittelfeld.

Moderna liefert deutlich mehr Impfstoffdosen

Bei den Erstgeimpften liege Deutschland bei der absoluten Zahl erstmals vor Großbritannien, schrieb Spahn vorgestern auf Twitter. In Großbritannien ist die als besonders ansteckend geltende Delta-Variante des Virus vorherrschend, ihr Anteil steigt auch in Deutschland.

Trotz dieses Fortschritts rief Spahn erneut zu Vorsicht auf – auch mit Blick auf die sich ausbreitende Delta-Variante. Jede und jeder Einzelne habe es in der Hand, „dass dieser gute Sommer, der es werden kann, erstens gut bleibt und zweitens Herbst und Winter eben auch gut werden“. Es gehe bei diesem Appell nicht darum, die gute Laune „einzutrüben“, betonte er. Die könne man schon haben. „Aber es geht darum, dass wir möglichst lange gute Laune haben können.“

Der erwartete zusätzliche Schub für die Impfkampagne kommt daher, dass der US-Hersteller Moderna laut Gesundheitsministerium im dritten Quartal deutlich mehr Dosen liefern will als bislang ange­kün­digt. Im Juli sollen pro Woche statt 733.000 nun jeweils 1,33 Millionen Dosen kommen, im ganzen Monat 5,32 Millionen, im August 10,28 Millionen und im September 14,5 Millionen.

In der kommenden Woche sollen zudem zusätzlich zu bereits eingeplanten Lieferungen fünf Millionen Dosen des Impf­stoffes von Astrazeneca und eine Million Dosen von Johnson & Johnson an die Impfzent­ren sowie Arztpraxen und Betriebsärzte gehen. Allein in der ersten Juli-Woche würden fast fünf Millionen Dosen an die Impfzentren geliefert, kündigte Spahn an. „Die Größenordnung gab es noch nie.“

Voraussetzung für ein Zünden des Impfturbos ist aber, dass das Angebot auch wahrgenommen wird. Impfen sei das „mächtigste Werkzeug“ gegen die Pandemie, sagte der Präsident des Robert-Koch-Insti­tuts, Lothar Wieler. „Wir reden von mehr als 80 Prozent der Menschen, die in unserem Land leben“, sagte er auf die Frage, wie viele Menschen geimpft werden müssten.

Hausärzte beobachten, dass immer mehr Impftermine abgesagt werden. „Absagen oder No-Shows neh­men auch in den Hausarztpraxen zu“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine allgemeine Impfmüdigkeit könnten die Ärzte aber nicht feststellen. Gesundheitsexperten der Oppo­sition plädierten am Wochenende für eine frühere Zweitimpfung.

Voran geht es mit dem Ausstellen digitaler Impfnachweise. Es seien bereits mehr als 32 Millionen, teilte das Gesundheitsministerium auf dpa-Anfrage mit. In Impfzentren und Arztpraxen waren es 5,9 Millionen und in Apotheken 11,9 Millionen digitale Impfnachweise. Nachträglich per Post versandt wurden dem­nach 14,5 Millionen Zertifikate. Das Erstellen der digitalen Nachweise war Mitte Juni angelaufen. Dass deren Zahl höher als die der vollständig Geimpften ist, erklärte das Ministerium damit, dass nunmehr für Erst- und Zweitimpfung jeweils ein Zertifikat ausgestellt wird.

Bundesweite Inzidenz liegt bei 5,6

Unterdessen ist die Sieben-Tages-Inzidenz bundesweit auf unter sechs gesunken. Das RKI gab gestern die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen mit 5,7 an. Am Vortag lag sie bei 5,9, vor einer Woche bei 8,8. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI 538 Neuinfektionen, vor einer Woche waren es 842. Bundesweit wurden binnen 24 Stunden 8 neue Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronaerkrankung verzeichnet. Vor einer Woche waren es 16 Tote.

Rund jeder zehnte Landkreis in Deutschland hat nach RKI-Angaben in den vergangenen sieben Tagen keinen einzigen Coronafall verzeichnet. Demnach lag die 7-Tage-Inzidenz in 40 von 412 erfassten Krei­sen und kreisfreien Städten bei 0. In weiteren 45 Kreisen gab es jeweils nur einen Fall. Zu bedenken ist, dass es zu Nachmeldungen kommen kann.

In knapp 50 Kreisen lag die Inzidenz noch höher als 10, Schlusslicht ist der Landkreis Lichtenfels in Bayern mit 46,4. Bei den Bundesländern ist die Inzidenz in Sachsen-Anhalt an niedrigsten (1,9), in Hamburg an höchsten (10,0). Die bundesweite Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche - gab das RKI am Montag mit 5,6 an.

dpa

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