Politik

Bundestag beschließt Entbudgetierung für Hausärzte

  • Freitag, 31. Januar 2025
/picture alliance, Michael Kappeler
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Berlin – In einer nächtlichen Sitzung des Bundestages haben die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP die Ent­budgetierung für Hausärztinnen und Hausärzte beschlossen. Wie schon im Gesundheitsausschuss vorgestern enthielten sich die Fraktionen der CDU/CSU sowie der AfD. Die Gruppe Die Linke stimmte dagegen, die Gruppe BSW war nicht anwesend.

Die Ex-Ampel-Partner hatten sich kürzlich noch auf ein letztes Gesetz in der Gesundheitspolitik einigen können. Mit der Rumpfversion des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) sollen eine Vorhaltepauschale sowie eine Chronikerpauschale eingeführt werden.

Auch die Aufhebung der Altersgrenze bei Notfallkontrazeptiva in Fällen von Vergewaltigung und eine Verbesse­rung der Heil- und Hilfsmittelversorgung bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderung sind Teil des Rumpf­gesetzes.

„Wir sorgen dafür, dass die Arbeit der Hausärztinnen und Hausärzte entlohnt wird,“ betonte Heike Baehrens, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in der Debatte. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauter­bach (SPD) lobte das Gesetz: „Es ist ein unwürdiger Zustand, dass Hausarztpraxen überfüllt sind, weil auch Men­schen mit leichten chronischen Erkrankungen jedes Quartal in die Praxen kommen müssen.“

Der Minister erhofft sich, „das so mehr Zeit für schwere Fälle und für neue Patienten.“ Er betonte erneut, dass die Ampelkoalition im Gesundheitswesen funktioniert habe. „Hätten wir das in anderen Politikbereichen auch geschafft, stünden wir alle anders da.“

Christine Aschenberg-Dugnus, im FDP-Fraktionsvorstand für Gesundheitspolitik zuständig, erklärte: „Budgetierung und Honorardeckel, das klingt harmlos. Aber es sind die leistungsfeindlichen Instrumente, die unser Gesundheits­wesen kennt.“

Diese Regelung, die Anfang der 1990er-Jahre in Zeiten der „Ärzteschwämme“ eingeführt wurde, werde nun be­endet, der Arztberuf „muss attraktiv werden, in dem jede medizinisch-notwendige Leistung vollstän­dig vergütet wird.“

Sie warb auch dafür, dass die Entbudgetierung für alle Facharztgruppen kommen müsse, dafür wolle sich ihre Fraktion in der nächsten Legislatur einsetzen. Aschenberg-Dugnus wird selbst dann nicht mehr dabei sein: Sie habe schon vor drei Jahren entschieden, nicht noch einmal zur Wahl anzutreten.

„2009 habe ich meine erste Rede im Bundestag gehalten, auch zur Gesundheitspolitik. Jetzt ist es Zeit, den Platz für andere freizumachen." Nach eigener Aussage ging die Initiative, doch noch mit den ehemaligen Ampelkoa­litionspartnern eine Regelung zu finden, auf ihre Bemühungen zurück, erklärte sie dem Deutschen Ärzteblatt.

Auch die AfD befürwortet den Schritt zur Entbudgetierung, es sei „die Richtige Richtung für die ambulante Ver­sorgung“, so Christina Baum. Sie forderte auch die Entbudgetierung für die Fachärzte, Ende der Arzneimittel­regresse sowie Änderungen an der aktuellen Krankenhausreform.

Kritik kam aus der Gruppe der Linken: „Die Ex-Ampel versucht mit der Gießkanne die Probleme in der Gesund­heitsversorgung zu lösen“, sagte Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler im Plenum. Aus ihrer Sicht komme nötiges Geld nicht an der richtigen Stelle an.

„In 15 Jahren habe schon 39 Reformen erlebt, nur hat keine dazu geführt, dass die Gesundheitsversorgung besser wird." Sie beklagte, dass die CDU-Fraktion Vorschläge der Linken für eine bessere Versorgung derzeit im Aus­schuss blockiere.

Insgesamt ist die Debatte in der Nacht von vielen Abschieden geprägt: Neben der SPD-Sprecherin Baehrens, FDP-Gesundheitspolitikerin Aschenberg-Dugnus, sprechen auch Grünen-Expertin Saskia Weißhaupt und SPD-Politiker Hans-Ulrich Mende zum letzten Mal im Plenum.

Mende betonte, er hätte sich gerne für die Prävention eingesetzt, Baehrens sieht die Pflege als weitere große Aufgabe in der kommenden Legislatur. Insgesamt betonten die Rednerinnen und Redner in ihren Schlussreden den Zusammenhalt der Demokratinnen und Demokraten.

CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger, der als einziger Abgeordneter der CDU/CSU Fraktion in der Nacht im Plenum sprach, lobte die Regelung der Regierung ebenso: „Die Entbudgetierung ist eine wichtige Sache. Auch wenn ich als bayrischer Hausarzt nicht betroffen bin, geht es in die richtige Richtung.“

Zwar habe er sich als Oppositionspolitiker mehr gewünscht. „Wir brauchen mehr Steuerung im System, wir brauchen auch eine Entbudgetierung aller Facharztgruppen“, so Pilsinger weiter. „Daran werden wir auch in der nächsten Legislatur arbeiten“, kündigte er an.

Seine Fraktionskollegin Simone Borchard (CDU) und der Abgeordnete Erwin Rüddel (CDU) gaben ihre Reden zum Protokoll. Das Protokoll der Sitzung war am heutigen Freitag noch nicht abrufbar. Gesundheitspolitiker Rüddel wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören.

In ersten Reaktionen begrüßte der Hausärztinnen- und Hausärzteverband den Beschluss: „Nachdem die Ampel zerbrochen ist, war nicht damit zu rechnen, dass es doch noch zu einer Reform kommt“, heißt es in einem Rund­schreiben. „Aber: SPD, Grüne und FDP haben Wort gehalten und sich auf den letzten Metern noch einmal zu­sammengerauft. Das ist ihnen hoch anzurechnen.“

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bewertet den Beschluss positiv: „Lange versprochen, dank einer Initiative der FDP auf den letzten Metern noch einmal ins parlamentarische Verfahren eingebracht, kann sie nun kommen: die hausärztliche Entbudgetierung. Endlich“, so die Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner in einem gemeinsamen Statement.

Nun muss in der Selbstverwaltung nachgearbeitet werden: „In Richtung Krankenkassen sagen wir: Wir sind ab sofort verhandlungsbereit! Die Umsetzung wird alles andere als einfach werden, da der in den Nachtstunden verabschiedete Entwurf leider weiterhin die bekannten Schwachstellen aufweist“, so die KBV-Vorstände weiter.

Für den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hätte es in dem Gesetz auch eine Regelung für die Weiter­bildungsförderung in der Pädiatrie sowie ein Wegfall der Bagatellgrenzen bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen geben müssen. „Es ist mir absolut unverständlich, dass beide Maßnahmen im GVSG unberücksichtigt bleiben“, sagte Michael Hubmann.

Kritik an dem Beschluss kommt von den Krankenkassen. „Heimlich, still und leise wird noch eine Honorarverbes­se­rung für Hausärzte ohne jeglichen Versorgungsmehrwert auf den Weg gebracht“, monierte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes in einer Mitteilung.

„Mit den damit extra ausgelobten rund 400 bis 500 Millionen Euro wird kein Hausarzt zusätzlich in strukturschwachen Gebieten angesiedelt, kein Patient früher oder besser behandelt." Sie hoffe auf neue Konzepte der Versorgung in der kommenden Legislatur.

bee

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