Bundestag beschließt Grenzwert für Cannabis am Steuer

Berlin – Nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis kommen auch neue Vorgaben für Autofahrerinnen und Autofahrer. Der Bundestag beschloss am späten gestrigen Abend ein Gesetz der Ampelkoalition, das einen Grenzwert für den Wirkstoff THC am Steuer und Geldbußen bei Verstößen festlegt – ähnlich der 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol. Zudem wurden Nachbesserungen am im März verabschiedeten Cannabisgesetz verabschiedet.
Die Bundesregierung hatte diese Nachbesserungen den Ländern in einer Protokollnotiz zugesichert. Damit mit den Anbauvereinen ab 1. Juli keine großen Plantagen entstehen, sollen Genehmigungen verweigert werden können, wenn Anbauflächen oder Gewächshäuser in einem „baulichen Verbund“ oder in unmittelbarer Nähe mit denen anderer Vereine stehen.
Verboten werden soll auch, einen gewerblichen Anbieter mit mehreren Dienstleistungen zu beauftragen, um den „nichtgewerblichen Eigenanbaucharakter“ zu sichern. Flexibler sind auf Wunsch der Länder Kontrollen zu handhaben: statt „jährlich“ heißt es nun „regelmäßig“.
Neben strengeren Auflagen für die Anbauvereinigungen soll demnach die bereits vorgesehene Evaluation der Auswirkungen der Cannabisfreigabe erweitert werden, um so früh wie möglich erste Erkenntnisse zu erhalten. Zudem soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein Weiterbildungsangebot für Suchtpräventionsfachkräfte bereitstellen, um die Anstrengungen der Länder zu unterstützen, die Suchtprävention zu verstärken.
Seit 1. April ist der Cannabiskonsum für Volljährige legal – mit vielen Vorgaben, unter denen auch privater Cannabisanbau erlaubt ist. Begleitend folgen jetzt Regelungen für den Straßenverkehr, über die Fachleute seit längerem diskutieren. Bisher galt die strikte Linie, dass schon beim Nachweis von Tetrahydrocannabinol (THC) Konsequenzen drohen. In der Rechtsprechung hat sich ein Wert von einem Nanogramm je Milliliter Blut etabliert.
Beim Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten schon 2022 für eine „angemessene“ Heraufsetzung aus. Denn dies sei so niedrig, dass viele sanktioniert würden, bei denen sich eine Fahrsicherheitsminderung nicht begründen lasse.
Künftig legt ein gesetzlicher Grenzwert fest, wann die Toleranz bei Cannabis endet: Wer vorsätzlich oder fahrlässig mit 3,5 Nanogramm THC oder mehr unterwegs ist, riskiert dann in der Regel 500 Euro Buße und einen Monat Fahrverbot. Die Schwelle folgt Empfehlungen einer Expertenkommission des Verkehrsministeriums (BMDV), wonach ab dann eine sicherheitsrelevante Wirkung „nicht fernliegend“ ist. Vergleichbar sei es mit 0,2 Promille Alkohol und liege klar unter der Schwelle von sieben Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt. Eingerechnet ist auch ein Zuschlag für Messfehler.
Eine neue Ordnungswidrigkeit stellt es künftig dar, wenn zum Kiffen auch noch Alkohol dazukommt. Hat man die Schwelle von 3,5 Nanogramm THC oder mehr erreicht, gilt ein Verbot von Alkohol am Steuer – also, dass man dann noch ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl man unter der Wirkung alkoholischer Getränke steht. Bei Verstößen droht ein höheres Bußgeld von in der Regel 1.000 Euro. Für Fahranfänger heißt es künftig wie schon bei Alkohol: In der zweijährigen Führerscheinprobezeit und für unter 21-Jährige gilt ein Cannabisverbot – der Grenzwert von 3,5 greift also nicht. Sanktion: in der Regel 250 Euro.
Bei THC am Steuer geht es um Cannabiskonsum aller Art, wie im Entwurf erläutert wird – also Joints, aber auch THC-haltige Esswaren, Getränke, Öle und Extrakte. Ausdrücklich ausgenommen ist aber, wenn das THC „aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt“. Bei Kontrollen sollten empfindliche Speicheltests „als Vorscreening zum Nachweis des aktuellen Konsums“ eingesetzt werden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Wenn jemand Anzeichen von Ausfallerscheinungen zeige, sei aber in jedem Fall auch bei negativem Speicheltest eine Blutprobe erforderlich.
Dass Rauschmittel die Fahrtüchtigkeit beeinflussen, ist unbestritten. Bei Cannabis ist die Wirkungsweise aber nicht dieselbe wie bei Alkohol. So ist ein „Herantasten“ an den THC-Grenzwert nicht möglich, wie es im Entwurf heißt. Die Expertenkommission wies auf Studien zur Wirkung hin. Sicherheitsrelevante Effekte treten demnach am stärksten 20 bis 30 Minuten nach dem Konsum auf und klingen nach drei bis vier Stunden wieder ab. Dabei falle bei Konsumenten, die höchstens einmal in der Woche kiffen, die THC-Konzentration in einigen Stunden ab. Bei häufigem Konsum könne sich THC im Körper anreichern und noch Tage bis Wochen im Blut nachweisbar sein.
Der CDU-Fachpolitiker Florian Müller sprach von einem „schwarzen Tag für die Verkehrssicherheit“. Die Beratungen hätten gezeigt, dass es der Ampelkoalition darum gehe, Cannabiskonsumenten das Autofahren zu erleichtern. Absurd sei die Argumentation, dass es eine Gerechtigkeitsfrage sei, Cannabiskonsumenten und Alkoholtrinker gleichzustellen. Die Grünen-Abgeordnete Swantje Michaelsen betonte dagegen: „Auch in Zukunft darf niemand im Rausch Auto fahren.“ Gleichzeitig gebe es jetzt eine faire Regelung für alle, die Konsum und Fahren trennen. Mit einer pauschalen Kriminalisierung über Regelungen im Straßenverkehr sei nun Schluss.
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