Corona: Debatten über Ende der Impfreihenfolge und Freiheiten für Geimpfte

Düsseldorf – Das Aufgeben der Impfreihenfolge und mehr Freiheiten für Geimpfte sind zwei Themen, die die Debatte in der Coronapandemie in Zukunft bestimmen könnten. Die Politik will sich dem Thema im Bundestag widmen.
Rechtsexperten von Union und SPD mahnten jüngst an, das Thema Lockerungen für Coronageimpfte im Bundestag zu behandeln. „Wenn Studien bestätigen, dass Menschen nach einer Impfung nicht mehr infektiös sind, dann müssen die Beschränkungen zurückgenommen werden“, sagte der Rechtsexperte der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), der Welt am Sonntag. Das sei aus seiner Sicht verfassungsrechtlich zwingend. Ob Beschränkungen unter bestimmten Bedingungen zurückgenommen werden sollten, müsse der Bundestag regeln.
Der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, forderte, die ohnehin geplante Reform des Infektionsschutzgesetzes zu nutzen, um „klarstellend zu regeln, dass sich Schutzmaßnahmen entsprechend der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse immer nur an nicht geimpfte Personen richten können“.
Nicht geimpften Menschen müsse die Daseinsvorsorge wie Bussen, Bahnen und Supermärkte aber ebenfalls offenstehen. Falls es Unternehmen geben sollte, die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nicht geimpften Menschen verweigerten, müsse gesetzgeberisch eingegriffen werden, sagte Fechner.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits vollständig gegen Corona geimpften Menschen Hoffnung auf mehr Freiheiten beim Einkaufen und Reisen im Rahmen von künftigen Lockerungsschritten gemacht. Wer geimpft sei, könne ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur, hatte er vor rund einer Woche angekündigt.
Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat bereits Ausnahmen von der Testpflicht und der Absonderungspflicht nach der Einreise aus einem Risikogebiet für vollständig geimpfte Menschen beschlossen. Die Regelungen gelten allerdings zunächst für befristete Zeiträume. Als vollständig geimpft gelte dabei nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission derzeit, wer vor 14 Tagen die zweite Impfung bekommen habe und keine typischen Symptome einer Infektion mit dem Coronavirus aufweise.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, hat die Debatte über Lockerungen der Coronamaßnahmen für Geimpfte als wichtig bezeichnet. Es gebe mit den Aussagen des Robert-Koch-Instituts, dass Geimpfte wohl nicht mehr ansteckend seien, eine neue Situation, sagte Buyx im Deutschlandfunk. Es werde schwer sein, die Freiheitsbeschränkungen aufrechtzuerhalten, wenn der Sachgrund entfalle.
Buyx warnte zugleich davor, wesentliche Regeln im öffentlichen Raum infrage zu stellen. Im Privaten seien die Schrauben schon sehr weit angezogen. Im Bereich der Arbeit dagegen könne man noch mehr machen.
Zudem äußerte sich Buyx besorgt über die gesellschaftliche Schieflage zwischen Privilegien für Geimpfte und Nachteilen für Nichtgeimpfte. Eine solche Schieflage ließe sich durch mehr Tests für Nichtgeimpfte vermeiden. Buyx forderte, auch das Tempo bei den Impfungen zu erhöhen.
Mit Blick auf die Impfpriorisierung erklärte sie, diese sei noch richtig und wichtig. Es sei aber eine Priorisierung auf Zeit. Eine gewisse Flexibilität müsse es schon geben. Ein überbürokratisches Vorgehen sei auch aus ethischer Sicht problematisch. Außerdem dürfe es nicht sein, dass Impfdosen am Abend weggeworfen würden.
Ministerpräsident und CDU-Chef Armin Laschet hatte sich gestern für ein Ende der Coronaimpfreihenfolge bis zum Sommer ausgesprochen. „Wenn zum Ende des Frühjahrs die großen Impfstoffmengen kommen, sollten die Impfprioritäten fallen und die Impfungen für alle Menschen geöffnet werden. Das wäre ein wichtiger Baustein für die Brücke zu einem Sommer mit viel mehr Freiheit“, sagte Laschet der Bild am Sonntag.
Laschet begrüßte das bisher strenge Einhalten der Impfreihenfolge. Mit der strikten Priorisierung am Anfang habe man eine Schutzmauer für die Alten und Pflegebedürftigen errichtet. „So haben wir unzählige Leben gerettet.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz will an der Priorisierung festhalten. Laschets Vorstoß kritisierte die Stiftung scharf. Laschet wolle die „ethische Impfreihenfolge zerlegen“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. „Dabei sollte doch die Priorisierung garantieren, dass zunächst die Schwächsten als erstes geschützt werden.“
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