Coronakrise: Debatte um Quarantänezeit

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist offen für Überlegungen, die Quarantäne in Corona-Verdachtsfällen von derzeit 14 Tagen zu verkürzen. Wie der CDU-Politiker mitteilte, verständigten sich die EU-Gesundheitsminister heute in einer Videokonferenz darauf, dass für Reiserückkehrer aus Risikogebieten europaweit eine generelle Quarantäne von mindestens zehn Tagen gelten solle.
Diesen Ansatz wolle er auch für die deutsche Debatte aufgreifen und in die Erarbeitung eines angepassten Konzepts für das Vorgehen im Herbst und Winter einfließen lassen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass dazu gehört, eine zehntägige Quarantäne für Reiserückkehrer und möglicherweise darüber hinaus.“
Das aktualisierte Konzept mit einem Rahmen für Quarantäne und Tests soll bis Anfang Oktober kommen. Umstritten sei im EU-Ministerrat weiterhin die Frage, ob die Quarantäne nach einem negativen Test-Ergebnis auch nur noch fünf Tage betragen könne.
Deutsche Gesundheitspolitiker mehrerer Fraktionen hatten sich dafür ausgesprochen – auch ohne Test. „Ich halte es für sehr sinnvoll, die Quarantänezeit auf fünf Tage zu begrenzen“, sagte der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach der Welt. „Wir wissen, dass die allermeisten Menschen fünf Tage nach Beginn der Symptome nicht mehr ansteckend sind, auch wenn der PCR-Test noch ein positives Ergebnis ausweist.“
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sprach sich ebenfalls für eine lediglich fünftägige Quarantäne aus. Damit erhöhe man die Akzeptanz in der Bevölkerung und entziehe „zugleich den Verschwörungstheoretikern und Coronaleugnern den Boden“, sagte sie der Welt.
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche sagte: „Für die breite Masse der Bevölkerung kann es sinnvoll sein, bei Verdacht auf einen Kontakt mit einer infizierten Person zunächst in eine verkürzte Quarantäne zu gehen und diese mit einem negativen Test abzuschließen.“
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wies darauf hin, klar zwischen Isolation und Quarantäne zu unterscheiden. „Quarantänisiert werden Menschen, die Kontakt zu Infizierten hatten“, so ein Sprecher.
Dadurch solle vermieden werden, dass diese Menschen während der Inkubationszeit ungewollt andere infizierten. Denn unklar sei in dieser Zeit, ob sie sich selbst infiziert hätten. Isoliert würden dagegen Infizierte, die das Virus ausscheiden würden.
Für Infizierte habe das Robert Koch-Institut (RKI) bereits vor einigen Wochen die Empfehlung für eine Isolation von 14 auf zehn Tage gesenkt, so Spahn. Der Charité-Virologe Christian Drosten hatte zuvor in einem Gastbeitrag in der Zeit angeregt, unter bestimmten Bedingungen die Dauer der Isolation auf fünf Tage zu verkürzen.
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisierte Drosten, sein Vorschlag sei in der Berichterstattung teils falsch wiedergegeben worden. „Isolierung und Quarantäne geraten durcheinander. Mein Vorschlag ist Reduktion der Isolierungszeit. Wenn man Cluster als Ganzes isoliert, dann kurz (z.B. 5 Tage) und mit Freitestung auf Restinfektiosität. Dies heißt im #ZEIT-Beitrag „Abklingzeit“, weder Isolierung noch Quarantäne.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Detlev Spangenberg, sieht durch Drostens Aussage die Meinung der AfD bestätigt, „dass die bisherigen Maßnahmen überhastet und nicht ausgewogen angesetzt wurden“.
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